96 – FSV Mainz 05 1:1

Im ersten Heimspiel der Rückrunde empfing Hannover 96 die zum Auftakt sehr erfolgreichen Mainzer. Den Zuschauern bot sich ein Spiel ähnlicher Formationen, ähnlicher Strategie und ähnlicher Probleme, das Hannover 96 wegen einer sehr schwachen Vorstellung im zweiten Durchgang aus der Hand gab. Die Mainzer fokussierten Hannovers Schwächen und kamen nach dem Ausgleich noch zu weiteren Chancen. Letztlich geht das Remis in Ordnung.

Grundformation

Grundformationen mit kleineren Abweichungen in der Ausrichtung, ansonsten sehr ähnlich.

Die erste Halbzeit

Mainz startete offensiv und drängte 96 vom Anpfiff weg zurück in die eigene Hälfte. Zwar entwickelten die Gäste dabei keine Torgefahr, aber blieben auch nach Ballverlusten in den hohen Zonen präsent. In der Anfangsphase traten sie dabei mit einem relativ flexiblen, hohen Pressing in Erscheinung. Je nach der Positionierung Baumgartlingers und Mallis bildeten sie entweder eine 4-3-3-, 4-4-2- (Malli leicht versetzt hinter Allagui) oder seltener auch mal 4-1-3-2-Staffelungen im Pressing. Teilweise war auch noch in späteren Phasen des Spiels ein 4-2-3-1 zu sehen, das Malli herstellte, indem er aus dem grundsätzlichen 4-4-2 ballorientiert auf die Höhe der ballorientiert gut verschiebenden Flügelspieler zurückfiel. Diese Formation war somit ballorientiert verschoben und versperrte 96 den Weg durch den Halbraum in die Offensive. In der Phase hohen Drucks in den ersten zehn Minuten kam 96 kaum in eine stabile, ruhige Ballzirkulation im ersten Drittel. Durch das intensive Anlaufen der Mainzer Flügelspieler auf die ballführenden Innenverteidiger wurde der Spielaufbau relativ stark erschwert, was auch der wie eh und je gut, aber dieses Mal deutlich tiefer, eingebundene Zieler nicht vollständig auflösen konnte. Die Mainzer störten dabei nicht mannorientiert, sodass 96 zwar immer mal wieder Anspiele ins Zentrum oder in die Tiefe anbringen konnte, von dort aber wegen der sofort wieder entstandenen Raum- und Zeitnot nicht weiterkam. Nach dieser Druckphase agierte Mainz jedoch deutlich passiver und zurückhaltender im Pressing. Formativ äußerte sich dieser neue Ansatz in fast ausschließlich als 4-2-4-0 zu bezeichnenden Staffelungen gegen den Ball, aus der nur gelegentlich Allagui oder seltener Clemens und Malli herausrückten, um den Sechserraum im Aufbau zu versperren. Durch dieses tiefere, aber sehr breite erste Band ungefähr auf Höhe der Mittellinie hatte 96 nun eine bessere Ballzirkulation im ersten Drittel, fand aber nicht sofort einen guten Übergang ins zweite. Erst nach ein paar Minuten gelang es der Elf von Tayfun Korkut, mit ein paar angedeuteten Halbraumüberladungen (meistens links) und vor allem gut eingesetzten nachrückenden Bewegungen der beiden Sechser auch ruhig und konstruktiv im Mittelfeld zu kombinieren. Dank der recht großen Aktionsradien der Offensivspieler stellte Hannover kurze Wege her, die sie mit simpler Pärchenbildung und unter Einbindung der Außenverteidiger ausspielten. Insbesondere in den Räumen um den etwas offensiveren Baumgartlinger herum kam 96 zu der Gelegenheit, auf die Abwehr der Mainzer zuzulaufen und die nach- und einrückenden Spieler zu bedienen. Vor allem betraf dies den erneut sehr diagonal aufgerückten, quasi als zweiter Stürmer auftretenden Briand, den jeweils nicht an den Kombinationen Beteiligten aus dem Kreativduo Stindl/Joselu, sowie den oft die vor sich gebotenen Räume nutzenden Sakai. Dabei erspielte sich 96 im Ansatz ein paar sehr gute Chancen, spielte diese in der Konsequenz jedoch zu schlecht aus, sodass eine Standardsituation für die Führung herhalten musste.

Gegen den Ball trat 96 mit seiner Standardausrichtung an. Meist presste Hannover aus der bekannten 4-4-1-1-Grundposition, die je nachdem welche Höhe Stindl wählte auch zum 4-4-2 oder auch einem recht klaren 4-2-3-1 wurde. Der Druck auf den Spielaufbau war bei der breiteren Stellung der Mainzer Aufbauspieler durch das gute Anlaufen von Joselu und Stindl gewohnt hoch. Wenn die Gäste über den zentral abkippendenden Geis aufbaute, versperrte Joselu mit seinem Deckungsschatten das Zentrum, Stindl achtete dahinter auf den Sechserraum und die Flügelspieler (vor allem Briand) streuten gelegentliches Anlaufen ein. Durch diese Wechselwirkungen trat Mainz im Spielaufbau hin und wieder in einem 3-4-1-2 auf, bei dem Clemens meist höher als di Blasis stand. Noch öfter ergab sich aber auch die positionsgetreue Raumbesetzung in einem 4-2-(0-)3-1, bei dem 96 den Aufbau durch das Zentrum nicht zuließ. Die Mainzer Innenverteidiger versuchten sich an aufrückenden Bewegungen im Aufbau, spielten aber meist den einfachen Pass auf die Flügel, von wo es wieder zurück gehen musste und letztendlich der lange Ball folgte. Der Vorteil der etwas tieferen Staffelung der Mainzer war jedoch, dass sie die überwiegende Mehrheit der zweiten Bälle gewinnen konnten. Von dort entsprangen ihre gefährlichsten Situationen, wenn sie nach dem Gewinn des zweiten Balls schnell verlagern konnten oder im Zwischenlinienraum im Ballbesitz waren. Gegen den Ball reagierte 96 auf die bekannten Mainzer Stärken mit einer etwas weniger intensiven Verschiebebewegung auf dem ballfernen Flügel, um die Verlagerung mit dem Ziel des schnellen Flügelangriffs oder -konters uninteressanter zu machen. Darüber hinaus bestanden weitere deutliche Zugriffsprobleme auf Seiten Hannovers im rechten Halbraum hinter Schmiedebach, wo sich Briand nachlässig und unintelligent in der Defensivarbeit zeigte. Zudem war es oft problematisch, wenn sich die Innenverteidiger bei langen Bällen aus der Kette bewegten. Selbst wenn sie den Zweikampf gewannen, war der Ball aus den genannten Gründen weg – ohne Zugriff auf den zweiten Ball war die geöffnete Schnittstelle in der Abwehrreihe eine von Mainz zum Glück nur selten genutzte Einladung.

Insgesamt bot sich in der ersten Halbzeit ein Spiel zweier Mannschaften mit ähnlicher strategischer Herangehensweisen, bei ein paar taktischen Unterschieden im Spiel gegen den Ball. Mainz begann gut und intensiv, wurde dann passiver und ließ Hannover stückweise ins Spiel finden. Mit einfachen Mitteln und etwas zu vielen Flanken erarbeitete sich Hannover deutlich mehr und deutlich bessere Torchancen, nutzte diese wie gewohnt jedoch nicht oder spielte die guten Kombinationsansätze schlecht aus. So war 96 zwar zusammenfassend gesehen in den ersten 45 Minuten die aktivere, planvollere und zielstrebigere Mannschaft, einige Probleme im Defensivspiel deuteten sich jedoch bereits an.

Die zweite Halbzeit

Mainz startete offensiv. Wie schon in der ersten Halbzeit waren die Gäste zu Beginn des zweiten Durchgangs darum bemüht, das intensivere Pressing vom Beginn der Partie wieder aufzunehmen. Mit einer leichten Variation im Anlaufen und mehr Vertikalstaffelung in der ersten Reihe erschwerte die Hjulmand-Elf 96 den flachen Spielaufbau, wobei Hannover seinerseits verhältnismäßig wenig tat, um die Ballzirkulation ins Laufen zu bringen. Im Spielaufbau war die Mainzer Umstellung noch deutlicher. Geis kippte konstanter zwischen die beiden Innenverteidiger ab, während die Außenverteidiger zunächst eine etwas kürzere Anbindung suchten, von dort aus jedoch im weiteren Verlauf des Aufbaus weiter aufrückten als noch in der ersten Halbzeit. Die Innenverteidiger starteten noch vereinzelt zu ihrem Aufrücken mit dem Ball, hielten sich jedoch meist absichernd zurück, wenn Geis aus seiner zentralen Position immer öfter den direkten langen Ball wählte. Dabei visierte er auffällig oft die Schnittstellen zwischen den Hannoverschen Innen- und Außenverteidigern an, was sich in doppelter Hinsicht lohnte: Zum einen gab es mit den aufrückenden Außenverteidigern, den teilweise einrückenden Flügelspielern und seltener dem ausweichenden Malli ein paar kreuzende Bewegungen in der letzten Linie zu sehen, was das Klären der langen Bälle erschwerte; zum anderen setzte sich der eindeutige Trend aus der ersten Halbzeit fort, dass die Mainzer mit einigen wenigen Ausnahmen alle zweiten Bälle in Folge langer Zuspiele für sich gewinnen konnten. So der Hannoversche Verteidiger den langen Ball hatte abwehren können, blieb Mainz meist nicht nur in Ballbesitz, sondern besaß ihn zudem noch im Zwischenlinienraum vor einer mit vielen Mitspielern besetzten Zone in Tornähe. So konnte Mainz für ein paar Durchbrüche sorgen, spielte nach wie vor mit dem schnellen Flügelspiel und einigen Hereingaben und kam zu ein paar Torchancen.

Hannover 96 verteidigte diese Bemühungen schlecht. Teilweise auch gar nicht. Dies lag einerseits an der deutlich geringeren Intensität im Anlaufen der Aufbauspieler, teilweise an einer deutlich schlechteren Nutzung des Deckungsschattens durch Stindl und Joselu im Zentrum und zu einem nicht gerade kleinen Teil auch an den schwachen Defensivleistungen der beiden Flügelspieler. Durch die nach wie vor zu sehende größere Breite im 96-Spiel gegen den Ball hatten die beiden Sechser mehr Raum in der Horizontale zu decken – sie taten dies einige Male reichlich unbalanciert, und ermöglichten den nachrückenden Mainzer Sechsern einige Möglichkeiten zu Distanzschüssen aus dem zentralen Bereich vor dem Strafraum.

Im eigenen Ballbesitz agierte 96 sehr auffällig. Vor allem fiel die Mannschaft von Tayfun Korkut jedoch mit trägen bis inexistenten Freilaufbewegungen, schlechten Verbindungen der Mannschaftsteile, ungenauem Passspiel und grotesken Ballverlusten auf. Die Mainzer erlebten Mitte der zweiten Halbzeit ihre beste und gefährlichste Phase, wenn sie mit teilweise zockenden Flügelspielern (vor allem di Blasis, später dann auch Castillo) verteidigten und ohne großes Zutun einfache Ballgewinne verzeichnen konnten. Bei den anschließenden Kontern hätten sie sich dennoch mehr Zentralität in ihrer Aktion zutrauen sollen, so kamen sie zu nicht immer hochkarätigen Chancen. Gut dreißig Minuten vor Abpfiff brachte Hjulmand mit Soto einen weiteren zentralen Mittelfeldspieler, was eine Umstellung auf ein 4-3-3 mit sich brachte, bei dem Geis und Malli im Zentrum tiefer agierten. Mainz forcierte mit nun konstant höher verbleibenden Außenverteidigern das direkte Spiel in die letzte Linie, 96 befreite sich auch wegen der bereits erwähnten schlechten Defensivarbeit der Flügelspieler schlecht und inkonsequent. Korkut tauschte mit Jimmy Briand den personifizierten Ballverlust zwar deutlich zu spät, aber immerhin überhaupt gegen Leonardo Bittencourt aus. Aus Sicht von 96 veränderte sich dadurch strukturell zunächst dennoch nicht viel zum Besseren. Der Ausgleichstreffer fiel gewissermaßen sehr vorhersehbar: Geis kippte ab, spielte den langen Ball, Schulz ließ sie herauslocken, Mainz bekam den zweiten Ball und ein aufgerückter Außenverteidiger legte dem nachgerückten Achter Soto das Tor vor. Im Anschluss daran wurde die Begegnung sehr unansehnlich und wegen der nach wie vor auf Konter lauernden Mainzer und der im Ballbesitz inspirations- und ambitionslosen Hannover sehr unansehnlich, teilweise hektisch und uninteressant. Lange Bälle, Ballverluste, Konteransätze und unklare Verteidigungsaktionen prägten das Bild des Spiels. Mit Artur Sobiech brachte Korkut noch eine auch gegen den Ball vielversprechende Entlastung, wodurch Lars Stindl auf die rechte Mittelfeldseite rückte und 96 konstanter im 4-4-2 auftrat. Mainz nahm sich wieder deutlich zurück, stellte mit der Einwechslung von Niko Bungert auf ein 5-3-2 um und zockte nicht einmal mehr wirklich auf Konter. 96 war zumindest bemüht, den Ball noch irgendwie nach vorne zu tragen, ansehnlich, planvoll oder gefährlich wurde es jedoch kaum noch. Die beste Chance vergab der gute Sobiech per Kopfball aus wenigen Metern, kurz vor Schluss hätte es sogar noch einen Elfmeter für 96 geben können. Doch angesichts der harmlosen, einfallslosen, unambitionierten, passiven und insgesamt einfach schwachen Leistung im zweiten Durchgang wäre ein Sieg trotz der durchaus noch vorhandenen Chancen nicht unbedingt als leistungsgerecht anzusehen gewesen.

Fazit

Erste Halbzeit ordentlich und teilweise gut, aber simpel und inkonsequent. Zweite Halbzeit schwach, dann schlecht, und letztendlich mit erwartbarem Ausgang. Hannover ließ zu, dass das Spiel in der zweiten Halbzeit nicht nur vom Verlauf her, sondern auch strukturell und in den Abläufen offen und wild wurde, was 96 erfahrungsgemäß im Spiel gegen den Ball alles andere als entgegen kommt. So kam Mainz zu einigen Chancen und konnte ausgleichen. Danach musste 96 ein paar kritische Minuten überstehen, weil die Abwehr der langen Bälle schwach geschah. Letztlich hätte 96 mit ein wenig Glück in der Schlussphase noch den Siegtreffer erzielen können, für die Erwartungen des Umfelds und die Entwicklung der Mannschaft ist ein Unentschieden gegen eher durchschnittliche Mainzer jedoch vielleicht sogar als nachhaltiger anzusehen.

Spieler des Spiels – Artur Sobiech

Lars Stindl war als wichtigster Spieler im Ballbesitz anzusehen, wenngleich ihm ebenfalls nicht alles gelang. Joselu zeigte sich vor allem im Pressing erneut von seiner guten Seite und überzeugte wie gewohnt mit seinem klugen Agieren in tieferen Zonen, seinem Ballhalten und seiner Flexibilität. Ansonsten drängten sich wenige 96-Spieler aus taktischer Sicht auf, da Ron-Robert Zieler für seine Verhältnisse größtenteils nur Standardwerk im Spielaufbau betreiben konnte. Nach seiner Einwechslung zeigte Artur Sobiech hingegen in einigen kleineren Szenen seine Fähigkeiten im Gegenpressing, im intelligenten Verzögern des Ballbesitzes sowie im Finden von Räumen im gesamten Angriffsdrittel. Hätte er seine gute Kopfballchance zum Siegtreffer genutzt, fiele seine öffentliche Bewertung wohl auch deutlich positiver aus, als dies nun zu erwarten ist („Chancentod“, „unbedeutender Kaderspieler“, irgendwas in der Richtung).

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