Um Wiedergutmachung nach einem mittelmäßigen Spiel mit schlechtem Ausgang bemüht trat Hannover 96 die Fahrt nach Bielefeld an. Gegen die aufgestiegene Arminia zeigt ein personell verändertes 96 eine schlechte Leistung in einem schlimmen Spiel und holt nur einen Punkt.
Stendel vercoacht sich
Der Spielverlauf und -ausgang der ersten Halbzeit lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wer gegen einen superlangweiligen Gegner weder ein Zwischenlinienraumspiel zeigt, noch spielerische Qualität im Angriff hat, kann keine Tore schießen. Gegen das weniger streng mannorientierte und dauerhaft tiefere 4-4-2-Mittelfeldpressing der Arminia als zuletzt fand Hannover keine spielerischen Wege nach vorne: Rechtsverteidiger Fossum schob im Spielaufbau wie erwartet nicht so weit auf wie Albornoz links, sodass sich mit dem mal nach links (meist Bakalorz), mal zentral (Schmiedebach), mal halbrechts neben Fossum (neben = drei Meter neben ihm; Bakalorz) abkippenden 96-Sechser eher eine Aufbau-Viererreihe ergab. Wenn sich dann situativ Bakalorz im Deckungsschatten der beiden Arminia-Stürmer aufhielt und mit Maier alleine das Zentrum besetzte, ergaben sich zwei Probleme: Es sind nur zwei Anspielstationen, und eine davon ist auch noch Bakalorz. So kann man nicht Fußball spielen, vor allem aber muss der Gegner auch gar nichts tun, um nichts zuzulassen. Die Bielefelder ließen sich auch nicht anlocken, egal ob durch eine bewusst langsame Ballzirkulation in der ersten Reihe oder durch ungenaue Pässe (Anton ist zuzutrauen, dass er das sogar absichtlich tat) und standen beständig tief. Die 3-2-5 oder 4-1-5-hafte Logik im 96-Aufbau hätte dann gute Bewegungen der Flügelstürmer gebraucht, um zumindest über die Seiten aufrücken zu können. Wenn dort dann aber Füllkrug und Klaus spielen, kann man das auch vergessen.
Es blieb also nur noch der lange Ball in die letzte Reihe, die ja auch prinzipiell wuchtig und zahlreich besetzt war. Aber ohne den Gegner vorher bewegt zu haben, spielte 96 eben lange Bälle in einen statischen Abwehrpulk. So kann man keine Tore schießen. Wenn der zweite Ball trotz schlechterer Struktur und ohne den Zweite-Ball-Magnet Fossum im Zentrum bei 96 landete, versuchte sich Klaus an Läufen in den Zehnerraum, scheiterte dort aber an den natürlichen Begrenzungen seiner Fähigkeiten und an den vielen Bielefeldern. Gewann die Heimelf den zweiten Ball, spielten sie ihr Spiel: Ball schnell auf den Flügel, Ball lang und hoch in die Spitze. Dieses Muster zwang Strandbergs in eine undankbare Szenendynamik, die im Elfmeter und der Arminia-Führung mündete.
Darauf reagierte 96 aber nicht mit mehr, sondern mit noch weniger Fußball: Maier und Schmiedebach oder Klaus orientierten sich frühzeitig auf die Außenbahnen, versuchten dort kleine Überladungen herzustellen und so besser in den Angriff aufrücken zu können. Das gelang gegen den tiefen Gegner zwar nicht wirklich, stellte aber immerhin eine bessere Absicherung gegen Ballverluste her. Als Anton vorübergehend verletzt fehlte, ließen sich Aushilfs-Innenverteidiger Bakalorz und Strandberg nach zwei langen Bällen düpieren, gestatteten eine Großchance und kurze Zeit später das zweite Tor nach einer Flanke. 96 haute den Ball weiterhin nach vorne, kam so immerhin zu einer Ecke und dem Ausgleich nach einem Eigentor.
Immerhin Anpassungen
Stendel stellte in der Halbzeitpause um: Maier rückte auf die rechte Seite, Klaus ging nach links und Füllkrug stellte mit Sobiech die Doppelspitze des neuen 4-4-2 her. Damit stand etwas mehr Wucht und Größe im Sturmzentrum für die langen Bälle bereit. Außerdem agierten die Flügelspieler etwas tiefer und vor allem breiter, womit einerseits die Passwege für die Außenverteidiger und Sechser kürzer wurden, und andererseits die Bielefelder Abwehr etwas entzerrt wurde. Zusammen mit etwas besseren Bewegungen der Sechser, die nicht mehr so konstant abkippten, konnte sich 96 strukturell leicht verbessern, kam aber weiterhin nicht zum Abschluss, weil die Bielefelder Hintermannschaft weiterhin die Schnittstellenpassversuche von Schmiedebach, Maier oder Sobiech gut verteidigte. Das stockende Angriffsspiel wurde erst belebt, als Karaman für Maier kam und auf die linke Seite ging. Mit Karaman als technisch starkem Spieler mit Zentrumsdrang konnte 96 in Momenten über die linke Seite besser vorrücken und kam erst zum einzigen Abschluss aus dem Spiel heraus und dann zum Ausgleich nach einem Eckball. Bielefeld ließ all dies etwas zurückgezogen über sich ergehen, schaltete nur noch sporadisch um und brachte nur noch ein, zwei Langball-Konter zu Ende. Da 96 aber auch weiterhin viele lange (etwas besser abgestimmte, auf Sobiech gechipte) Bälle spielte und wenig Durchschlagskraft erzeugte, reichte der direkte Freistoßtreffer von Behrendt zur erneuten Führung für die Arminen, die bis zum zweiten Eigentor zu Gunsten von 96 kurz vor dem Abpfiff Bestand hatte.
Statt sich darüber auszulassen, dass auch in dieser Begegnung spielerische Fähigkeiten ein wenig prominentes Kriterium bei der Auswahl des Offensivpersonals darstellte und das Niveau des Angriffs- und Bewegungsspiels folglich weiterhin im Sinkflug befindlich ist, oder dass es einfach keine gute Idee ist, gegen einen erwartbar tiefstehenden Gegner mit Füllkrug, Klaus und Bakalorz und einem von Einflussnahme getrennten Fossum anzufangen, freuen wir uns am Ende lieber darüber, dass Waldemar Anton schon wieder ein absurd gutes Spiel gemacht hat. Sich als klarer Aufstiegsfavorit auf das fußballerische Niveau eines Drittligisten zu begeben, ist trotzdem nicht cool.
Gott sei dank komme ich erst jetzt nach Hause. In letzter Zeit habe ich Glück, dass ich immer unterwegs bin.
Von weitem sehe ich das so, dass Stendel in diesem Spiel sich das Selbstzeugnis ausgestellt hat, dass er als Aufstiegstrainer in der zweiten Liga überfordert ist.
Konsequenterweise sollte man ihn jetzt beurlauben und nicht wieder bis zur Winterpause warten.
Gefühlt würde ich aus der Entfernung behaupten, dass man sich vor allem in den vergangenen Wochen zu sehr auf den Faktor „individuelle Qualität“ verlassen hat und hoffte, dass sich unsere Probleme darüber ein bisschen selbst regulieren würden. Gewisse Personalentscheidungen dürften diese dann jedoch weiter befeuert haben. Generell wirken unsere einzelnen Mannschaftsteile extrem schlecht aufeinander abgestimmt. Dass wir teilweise auf Synergieeffekte, resultierend aus dem Zusammenwirken bestimmter Spieler, verzichten, ist da sogar noch eines der geringeren Probleme. Auch eine bspw. unpassende Außenspielerbesetzung bricht uns u.a. momentan in den eigenen Ballbesitzphasen regelmäßig das Genick. Der Gipfel war die heutige erste Halbzeit und mich würde wirklich einmal interessieren, welchen Plan Stendel dort verfolgen wollte. Schließlich ist er ja nicht ganz doof und wird sich dabei etwas gedacht haben.
Ich habe diese Saison bisher leider nur das Spiel in Kaiserslautern im TV sehen können. Die Tore habe ich mir so wie gestern auf N3 anschauen können. Skeptisch, ob die von Stendel präferierte taktische Ausrichtung für die zweite Liga geeignet ist, war ja nicht nur ich.
Wie sich einige der Tore eingefangen wurden, ist schon ernüchternd – wäre für jede Mannschaft ernüchternd.
Spielen die hochstehenden Außenverteidiger da eine Rolle?
Habt Ihr dazu bereits eine Meinung und wenn, wie bitte bewertet Ihr deren Aufstellung im Raum?
Ansonsten, was müsste getan werden, dass 96 die Defensive dicht kriegt? Sätze, wie ein 5:4 ist mir lieber als ein 1:0, sind ja abenteuerlich.
Auch ich habe vom gestrigen Spiel nur die Tore gesehen. Hatte dabei der Eindruck, dass Strandberg „unfit“ wirkt. Täuschte hoffentlich.
Heute früh habe ich dann mal versucht herauszufinden, warum Sorg nicht spielte und Fossum in die Bedeutungslosigkeit verschoben wurde. Ergebnis: „mehr Zweikampfstärke und einfacherer Spielaufbau durch Bakalorz“ waren gewünscht. Aha. Letzteres hat ja vielleicht sogar funktioniert, je nachdem, wie man „einfach“ definiert…
Interview in der NP mit Oliver Sorg:
Warum läuft 96 so häufig in gefährliche Konter, die Philipp Tschauner dann ausbügeln muss?
„Das liegt auch an der Spielweise. Wir spielen Forechecking. Das macht auch Spaß, das will die Mannschaft auch so spielen, weil es geil ist, wenn der Gegner sich nicht so richtig lösen kann und man selbst alles in der Hand hat. Es ist dann schwer, solche Konter zu verteidigen. Das müssen wir ein bisschen in Kauf nehmen und das Risiko durch gutes Stellungsspiel minimieren. Das System kennt so nicht jeder, daran müssen
wir uns auch gewöhnen.“
http://www.neuepresse.de/Hannover-96/Aktuell/96-Profi-Sorg-Eine-Menge-Luft-nach-oben
Das wollte ich heute Mittag posten von unterwegs, hatte aber das Kennwort vergessen:
Das meiste, was man von Stendel hört sind Appelle an die Einstellung, Motivation, Mentalität der Spieler. Dass die Spieler vielleicht verunsichert sind, weil sie ständig gewahr sein müssen, in einen Konter hineinzulaufen und von der verordneten Spielweise zunehmend weniger überzeugt sind, sollte er mal ins Kalkül ziehen.
Auf Kicker-Online lese ich gerade was Stendel zu Füllkrug sagt:
„Grundsätzlich messe ich ihn aber nicht nur an Toren. Alles für den Erfolg der Mannschaft zu investieren und den Kopf hochzunehmen, das erwarte ich von ihm“, so der 96-Coach weiter.“
Irgendwie klingt das wie die Ansprache eines Jugendtrainers an seine Jungs und nicht wie die eines Aufstiegscoaches…..
Im Fall von Füllkrug ist das dann doch aber einigermaßen angemessen ;).