In der Liga gebe es ja keine andere Mannschaft, die überzeugender spiele als Hannover 96, ihm falle da jedenfalls keine ein, sagte Daniel Stendel in der Pressekonferenz. Der nächste Gegner war dann irgendeine Mannschaft mit D und –den hinten oder so.
Fußball gegen Durchschiebenöte
Hannover verfolgte gegen die sehr ambitionierte und im Hinrundenverlauf auch effektive tiefe Torwartkette der Dresdener einen grundsätzlich ordentlichen Pressingplan: Nach einer etwas konfusen Anfangsphase, in der Sarenren-Bazee auf Sechser Hartmann oder den tieferen Dynamo-Achter einrückte und Rechtsverteidiger Anton auf halber Höhe der gegnerischen Hälfte ins Pressing gegen Heise ging, störte 96 im hohen 4-3-1-2. Die Abstände und Orientierungen der vorderen Spieler waren dabei grundsätzlich nicht schlecht: Torwart Schwäbe wurde nicht als erster Akteur angelaufen, sondern erst nach Rückpässen des von Fossum oder Harnik nach außen geleiteten SGD-Innenverteidigers, nachdem sich vorher auch der aufrückende Schmiedebach nicht zu eng an Hartmann orientiert hatte. So wurde Hannover nicht frühzeitig lang überspielt, sondern konnte relativ zuverlässig auf Aufrücksignale im Angriffspressing warten und den Gegner nach außen drücken. Dort gab es dann allerdings manchmal Probleme mit dem Zugriff: Die Flügelspieler konnten von den angespielten Außenverteidigern umgangen werden, zum Beispiel durch kurze Ablagen auf die Achter nach innen. Dort machte sich die Unterzahl der Hannoverschen Sechser gegen die drei zentralen Dresdener dann bemerkbar, und das Herausrücken des vorher tieferen Bakalorz entblößte den Zwischenlinienraum vor der Abwehr. Die eng positionierten Dynamo-Flügelstürmer konnten dort Bälle aufsammeln oder kurze Anspielstationen herstellen oder sich drehen und den Angriff schnell in die Tiefe führen. Insgesamt schaffte es Dynamo, die praktische Überzahl durch die Einbeziehung von Schwäbe über schnelle Angriffe bis in das Mittelfeld weiterzutragen.
Auch nach den manchmal von Hannover provozierten, manchmal wie schon in der Hinrunde eher eingeplanten/hingenommenen langen Bällen der SGD-Innenverteidiger auf Kutschke kam 96 nicht immer hinterher, da Dresden mit einem eher hohen Achter Aosman auch viele Spieler an Hannovers Abwehr versammelte: Vor allem nach dem Anspielen der Angriffe über die linke Seite und dem steilen Anspiel nach vorne kam 96 in Bedrängnis, weil sich Anton entweder manndeckend an Stefaniak hängte und den Flügel für Heise öffnete, oder sein Nach-vorne-Pressen nach der Befreiung über den einmal mehr (leider eher nur in der ersten Halbzeit) überragenden Hauptmann zum radikalen Durchschieben von Hübner führen musste (vor allem, wenn der Flügelspieler vorher auf die dritte Station der Dresdener Torwartkette herausgerückt war). In diesen schnellen Ablagen- und Weiterleitungsangriffen hatte Dresden, einerseits durch die guten seitlichen Bewegungen von Kutschke und Stefaniak und andererseits durch die vertikale Flexibilität mit Aosman und Hauptmann vor Hartmann, mehr Optionen in engen Räumen und mehr individuelle Klasse. Das Herausrücken der Innenverteidiger in die Freiräume vor der Abwehr war auf das schnelle Ablagespiel der Dresdener keine passende Antwort. Dass Dresden in der zweiten Halbzeit immer öfter den direkten Chip-Pass auf die Außenverteidiger anbrachte und so wohl das intensive 96-Zuschieben umgehen wollte, führte dann zu etwas weniger Druck auf Hannovers Abwehr und weniger gute Abschlüsse für Dresden, da die Anspiele auf die Offensivspieler in etwas weniger dynamischen Situationen erfolgten. Stattdessen öffnete sich durch die herüberrückenden 96-Sechser aber immer wieder das 96-Mittelfeld. Diesen Platz nutzte Dynamo jetzt häufiger für Verlagerungen und anschließendes Aufrücken über die Außenverteidiger.
Kaum gute Hannover-Chancen, aber egal, „Mentalität“!
Dynamo selber zeigte sich im Spiel gegen den Ball im Vergleich zu weiten Teilen der Hinrunde verbessert, ohne dauerhaft stabil und griffig organisiert zu sein. Die Gastgeber störten ihrerseits in einem relativ hohen 4-1-3-2, mit Aosman neben Kutschke, den Flügelspielern eher tief und an den vorgeschobenen 96-Außenverteidigern orientiert. Im Aufrücken auf die manchmal durch einen abkippenden Bakalorz und vereinzelt durch den weit zurückfallenden Zehner Fossum hergestellte Dreierreihe im 96-Aufbau wurde es zu einem eher ungewöhnlichen 4-3-3 mit den beiden Achtern in vorderster Reihe, dessen mangelnde Vertikalkompaktheit einerseits kaum auffiel (klassischer Frontzeck-Fußball-Move: Anspiel auf AV -> Signal zum nach vorne Sprinten für den Flügelspieler), und andererseits vor allem in den Phasen des tieferen Pressings auch relativ intensiv interpretiert wurde. Kam Hannover ohne langen Ball an der ersten Reihe vorbei und fand den Weg auf die Sechser, musste Hartmann riskant nach außen die Löcher stopfenden. Strukturell betrachtet stellte Fossums Rolle als raumfüllender, balancierender Zehner bei Hannover noch eine kleine Abweichung vom zuletzt meistens Gesehenen dar. Der Norweger wich zum Beispiel beim etwas häufiger zu sehenden nach-innen-Rücken der Flügelspieler auf die Außenbahnen aus oder positionierte sich ein paar Mal gut in den Freiräumen der gegnerischen Formation. Es gab also trotz eines wenig durchschlagskräftigen 96-Auftritts Andeutungen, die Schwächen des Gegners bespielen zu wollen.
Das Dresdener Gegenpressing erwies sich nach einer sehr zugriffsstarken Anfangsphase außerhalb der engen, schnellen Szenen im offensiven Mittelfeld ebenfalls eher wacklig, die sich bietenden Umschaltgelegenheiten vergeudete die Stendel-Elf allerdings mit Distanzschüssen. Mit der Einwechslung von Karaman und seiner erwartungsgemäß klar nach innen orientierten Flügelrollen-Interpretation deutete 96 an, wie insbesondere in Schlussphasen die Dresdener Instabilität genutzt werden kann. Schmiedebachs Pass für Fossum in der ersten Halbzeit, Schmiedebachs und Karamans Aktion vor dem Siegtor in der zweiten Halbzeit und noch einige wenige weitere Szenen wiesen nach, dass klare, vertikale Aktionen gegen Dresden trotz einer positiven Entwicklung im Vergleich zur Hinrunde weiterhin vielversprechend sind.
Hier der Artikel der Dresdener Zeitung:
http://www.dropbox.com/s/5h6we6g1jddh47v/Saechsische%20Zeitung%20Dresden%20-%2020.02.2017.pdf?dl=0
Am besten downloaden, dann ist es gut lesbar. Im Browser ist es bei mir unscharf.
Ein Bekannter von mir, der in Dresden was, schrieb mir Folgendes: Das war ein intensives, unvergessliches Auswärtsspiel. Zur Pause war das 0:0 das Beste; Dynamo hatte die Roten an die Wand gespielt; nur Dresdner Unvermögen und Tschauners
gute Paraden haben den Rückstand verhindert.
Spielerisch wieder eine schwache Vorstellung mit einer fragwürdigen Aufstellung. Allerdings wurde das in der 2.Halbzeit etwas besser. Positiv ist der Team-Spirit und
der starke Einsatz zu werten, auch wenn es zweimal dicht vor einem Platzverweis war. Mit diesem Willen wird trotz spielerischer Mängel noch der ein oder andere Sieg kommen.
PS: Dem Bericht in der Dresdner Zeitung ist nicht viel hinzuzufügen.
Ich fand auch, dass 96 in der zweiten Halbzeit mit Karaman und Albornoz deutlich mehr Ruhe und Abgeklärtheit am Ball hatte, wiewohl das immer noch improvisiert aussah genauso wie gegen den Ball. Aber es waren eben nicht nur vertikale Pässe oder Kampf, die den Ruck ausgemacht haben.
In meinem Umfeld liest man mittlerweile in Sachen Fußball ja vor allem diesen Blog sowie die Dresdener Lokalzeitung. Unisono erreichte mich die Frage „Was denn eine tiefe Fußballkette sei?“ Hier ein Artikel vom Blogger, Buchautor und Co-Trainer (RB Salzburg) René Maric zu Torwartketten: http://spielverlagerung.de/2013/10/17/die-torwartkette