Breitenreiter muss den Dortmund-Plan ändern, macht das aber ziemlich passend. Leipzig braucht einige Minuten, wird aber zunehmend gefährlich und am Ende sehr dominant.
Systemwechsel für defensive Stabilität
Hannover veränderte im Vergleich zum Dortmund-Spiel nicht nur seine Pressingstrategie, sondern damit verbunden auch seine Formation. Um gegen das zentrumslastige Ballbesitzspiel der Leipziger das Augenmerk auf Kompaktheit im Zentrum legen zu können, wurde aus dem 5-2-1-2 ein 5-2-3 oder 5-4-1. Gegen den Ball bot diese Formation den Vorteil, dass Hannover im Angriffspressing ähnlich wie gegen Dortmund 1-zu-1-Zuordnungen aufnehmen konnte. Kippte Demme zwischen die Innenverteidiger ab, konnte 96 die erste Linie direkt anlaufen und sich auch dahinter mit den beiden Sechsern an ihren jeweiligen Gegenübern zuordnen. Leipzig musste den Ball dann lang nach vorne schlagen, womit Hannover erfahrungsgemäß wenige Probleme hatte. Überwiegend trat Hannover aber mit seinem 5-2-3 um die Mittellinie herum an, überließ Leipzig den Ball für einen ruhigen Aufbau und stand damit ziemlich stabil: Die drei Stürmer standen gegen die beiden Leipzig-Sechser in Überzahl und versperrten die Passwege der Innenverteidiger nach vorne. Bei unsauberen Zuspielen oder Annahmen konnten die Flügelstürmer sie auch unter Druck setzen, ohne dass ein 96-Sechser auf Demme oder Laimer hätte herausrücken müssen, da Jonathas weiter den Sechserraum besetzte. Gleichzeitig hatten die 96-Flügelstürmer im Mittelfeldpressing durch ihre Position zwischen den Sechsern und den manchmal tief angebundenen RaBa-Außenverteidigern aber auch Zugriff auf mehrere Gegenspieler und konnten je nach Situation nach außen oder innen rücken. Im Zusammenspiel mit den nach vorne rückenden Flügelverteidigern und einem manchmal nach vorne unterstützenden Bakalorz konnte Hannover sowohl das Zentrum versperren, als auch kompakt zu den Flügeln verschieben und Leipzig festdrücken.
Die Gastgeber brauchten daher einige Minuten, um mit ihrer veränderten Aufstellung in den Tritt zu kommen. Hannover konnte etwas schlecht vorbereitet in die Halbräume oder nach vorne gespielte Bälle abfangen und schnell umschalten. Da die schnellen Stürmer allerdings anders als gegen Dortmund aus seitlichen Positionen starteten, empfingen sie auch viele Bälle die Linie entlang – auf dem Weg zum Tor fehlte also noch eine weitere Aktion, die meistens misslang. Mit zunehmender Spielzeit wurde Leipzig aber sicherer und zeigte auch verschiedene, unterschiedlich erfolgreiche Ansätze im Spiel nach vorne. Die beiden beweglichen Sechser bewegten sich zunehmend besser zwischen den Linien und zwischen den Gegenspielern und konnten immer wieder den Ball in kleinere Freiräume stecken – wo dann allerdings das enge Zusammenziehen des Gegners weitere Aktionen eher unterbrach; Leipzig konnte dann verlagern und über die Seiten aufrücken. Allgemein setzten die Sachsen zu sehr vielen, teils massiven Überladungen mit teilweise beiden Stürmern und beiden Sechsern in den Flügelräumen an. Dies geschah meistens in Gestalt eines Zusammenziehens nach einem gewonnenen zweiten Ball, sodass die aus 96-Sicht prinzipiell verwundbaren Stellen hinter den Flügelstürmern nicht wirklich genutzt werden konnten. Hannover zog sich dann weit zurück in ein sehr enges 5-4-1 und teilweise 5-5-0. Das hatte zur Folge, dass Leipzig in den sehr engen Staffelungen die meisten verlorenen Bälle im Gegenpressing zurückeroberte und Hannover weniger Anspielstationen für (erfolgversprechende) Umschaltpässe hatte.
Mit einem früh einrückenden Sabitzer wurde Leipzig in der Regel über die rechte Seite gefährlich, wo Klostermann entweder seinen Vordermann hinterlief oder Sabitzer als Passempfänger nach außen ausweichen konnte und Platz für Demme oder Laimer öffnete. Die breitere und teilweise zum Abholen von Pässen auch tiefere Bruma auf der linken Seite machte aus der Leipziger Formation eher ein 4-4-2, das teilweise auch unter den bekannten Nachteilen im Ballbesitz litt. Am Ende der ersten Halbzeit wurden die Bewegungen von Poulsen, der als Wandspieler viel und teilweise weit zurückfiel, Sabitzer und den Sechsern aber besser aufeinander abgestimmt, sodass zwei oder drei sehr gute und direkte Ablagekombinationen durch das Zentrum gelangen. Werners Schnittstellenläufe deuteten schon Gefahr für Hannovers Tor an, aber schnelle Gegenangriffe blieben für beide Teams die produktivsten Aktionen nach vorne. Bei Hannover hatten sie gegen Ende ihren Ursprung eher im erfolgreichen Herausrücken der Verteidiger (Anton!) und direkten Pässen in die Tiefe, wo der leicht zurückfallende Jonathas auch immer wieder einen Innenverteidiger herauslocken konnte. Aber die Leipziger Überlegenheit wuchs beständig.
Leipziger „Umstellung“ bringt absolute Dominanz
Die 96-Führung nach einem recht typischen Muster – Bebou als Flügelstürmer startet in einem schnellen Angriff aus einer Position in der Mitte auf den Flügel, hat den Dynamikvorteil und bringt den Ball noch einmal nach innen (aber auch schlecht verteidigt von Konaté und Upamecano) – hatte zur Folge, dass Hasenhüttl nicht nur personell, sondern damit einhergehend auch strukturell aufrüstete. Laimer und Bruma wurden kurz nacheinander durch Forsberg und Keita ersetzt, sodass die Gastgeber im Mittelfeld quasi zu den Salzburger Wurzeln zurückkehrten (die sie nicht wirklich verlassen hatten, daher „quasi“). Ihr 4-2-2-2 interpretierten sie in der Folge so eng, dass ihre Formation Ähnlichkeit mit einer 2-2-Raute hatte, in der Forsberg meistens als Zehner agierte und Demme absicherte und nach rechts versetzt den Angriff unterstützte. Da die 96-Halbverteidiger jetzt öfter in der Mitte gefragt waren, mussten die Flügelverteidiger tiefer spielen und büßten an offensiver Präsenz ein.
Die riskanten, vertikalen Pässe nach vorne und die direkten Weiterleitungen, die die Leipziger schon vorher gezeigt hatten, wurden jetzt noch häufiger und erreichten zuverlässiger den Mitspieler. Zusammen mit einem normalen Kompaktheitsverlust und schwindendem Zugriff auf Seiten Hannovers kam Leipzig jetzt fast im Minutentakt zwischen die Linien, besetzte die offensiven Mittelfeldräume dynamisch und flexibel mit Unterstützung vom viel nach außen ausweichenden und dann in die Schnittstellen einstartenden Werner und konnte sich eine große Überlegenheit erspielen. Der Gegenpressingzugriff blieb analog zur engen Formation, in der meistens nur die Außenverteidiger konstant die Flügel besetzten, weiterhin auf hohem Niveau. Das war aber auch nötig, da die Absicherung natürlich riskant ausfiel und Upamecano mit seiner Präsenz in der Restverteidigung noch ein paar 96-Konter abfangen musste. Die Einwechslung Harniks nach dem Ausgleich brachte dagegen wegen des Spielverlaufs nicht unbedingt einen offensiven Impuls und verschenkte stattdessen ein bisschen Potenzial, mit einem weiteren defensiven Mittelfeldspieler und der Umstellung auf ein 5-3-2 die Unterzahl gegen die Leipziger Quasi-Raute abzumildern (das Kontern wäre so aber natürlich nicht effektiver geworden, also eine ambivalente Überlegung). Die Leipziger Überlegenheit war vermutlich auch wegen des frischen Personals am Ende nicht mehr zu durchbrechen, sodass der Siegtreffer trotz einer über weite Strecken widerstandsfähigen 96-Leistung auch folgerichtig und leistungsgerecht fiel.
[…] [Niemals allein] Leipzig – 96 2:1: http://www.niemalsallein.de/2017/11/leipzig-96-21/ […]