Umschaltmomente im Fokus: Hannover passt sich erneut an den Gegner an, kann damit aber dieses Mal wieder „nur“ die Defensive stärken. Weil Werder seine Umschaltchancen besser nutzt und Kruse wieder spielen kann, gewinnt Bremen am Ende ziemlich hoch.
Defensivraute mit Konterproblemen
Hannover unterband das bei Kohfeldts Werder-Debüt angedeutete zentrumslastige Spiel mit einer Raute im Mittelfeldpressing. Mit dem 4-3-1-2 konnte sich Hannover dem nominell im 4-1-4-1 angeordneten Gegner wie schon oft gesehen ziemlich klar zuordnen und die meisten Anspielstationen versperren. Bakalorz als Defensivzehner orientierte sich an Sechser Bargfrede, während Klaus und Maier enger bei Schwegler standen, in der Nähe der Werder-Achter waren und dann rautentypisch die Bremer Außenverteidiger anliefen. Werder baute auch dann noch flach auf, wenn 96 etwas höher herausrückte und suchte entweder den wie üblich hervorragend zurückfallenden und ausweichenden Kruse, um die Angriffe schnell zu verlagern, oder die Flügel. Dort waren es gute Bewegungen der beiden Achter Delaney und des sehr starken Eggestein, mit denen Werder immer wieder Dreiecke bilden konnte und über die Flügelstürmer und die hinterlaufenden Außenverteidiger schnell in die Tiefe spielte. Teilweise rückten auch beide Achter auf die gleiche Seite, beispielsweise zum etwas positionsgetreuer spielenden Junuzovic links, überluden die Seite und konnten sich dann über Kruse auf den anderen Flügel lösen oder Bartels im Sturm einbinden. Mit besserem Nachrücken als zuletzt gerieten manche Bremer Angriffe so auch recht druckvoll und zumindest im Ansatz gefährlich.
Wegen des engen 96-Mittelfelds blieben natürlich auch viele Angriffsversuche hängen. 96 konnte seinerseits aber kaum ins offensive Umschaltspiel kommen, weil wegen eben jener eng stehenden Mittelfeldspieler die Anspielstationen auf den Flügeln fehlten. Selbst wenn der ausweichende Harnik dort gefunden werden konnte, genügte die relativ gute Absicherung der Bremer mit Bargfrede und manchmal noch dem ballfernen Außenverteidiger, um 96 nicht zum Abschluss kommen zu lassen (Standardsituation und deren zweite Bälle ausgenommen). Vor allem wurde Hannover das Kontern aber auch dadurch erschwert, dass Werder außer bei den schnellen Dreieckskombinationen auf den Flügeln oft das Risiko in engen Räumen mied, sich in der Regel nach hinten befreite und neu aufbaute.
Das 96-Aufbauspiel litt wiederum unter dem recht intensiven und aggressiven Werder-Pressing: Bremen lief mit dem aufrückenden Delaney meistens im 4-4-2 an und hielt diese Formation auch in Phasen des tieferen Verteidigens, konnte in diesen Situationen aber manchmal von Hannover mit seiner im Ballbesitz weniger klaren Raute durchspielt werden – Bakalorz blieb im Übergangsspiel eher blass und zeigte erst im letzten Drittel Dynamik durch das Zentrum. Wenn Hannover mit Schwegler zwischen den Innenverteidigern aufbaute, konnte 96 immerhin den Ball halten und ruhig nach außen verteilen, wo Werder den Gegner dann allerdings intensiv zuschob. Vermutlich sollten ausweichende Bewegungen von Maier und Klaus Passwege für Sané durch den Halbraum auf die Stürmer öffnen, mehr als zwei Szenen konnten so aber nicht gezeigt werden. Teilweise störte Bremen aber auch in einem 4-3-3 mit Junuzovic und Delaney neben Kruse und nahm Hannover dann auch die Überzahl in der ersten Linie.
Kruse und Bartels zu dynamisch für 96
Da Hannover unmittelbar nach Wiederanpfiff seine mehr oder weniger einzige Umschaltchance nicht zum Ausgleich nutzte und damit im Gegensatz zu Werder in der ersten Halbzeit kein Kontertor schoss, blieb der weitere Spielverlauf von Bremer Ansätzen im Kombinationsspiel, aber wirklicher Gefahr nur durch Umschaltangriffe mit dem bewährten Tiefenläufeduo Kruse-Bartels geprägt. Werder entschied mit zwei genutzten „Momenten“ (immer noch eins der besten, ersten Kriterien zur Unterscheidungen von Spielanlage-Modellen), im ersten Fall nach hervorragender Antizipation von Bargfrede, und am Ende drei Kruse-Toren das Spiel für sich. Hannovers etwas unklare Versuche einer taktischen Reaktion (könnte mal ein 5-2-3 mit Klaus als rechtem Wingback und Sorg als Halbverteidiger gewesen sein, wurde dann wieder zum 4-1-3-2 mit Harnik links, am Ende irgendwie 4-2-2-2 mit Bebou als zweitem Stürmer) spielten letztlich keine Rolle (mehr). Entscheidend für den Verlauf und Ausgang des Spiels waren überwiegend einzelne Szenen, die zu analysieren entweder nur bedingt sinnvoll oder sehr kleinteilig wäre. Insgesamt zeigte Bremen natürlich ein wenig mehr Initiative und auch etwas mehr Instrumente im Vorwärtsgang (hauptsächlich wegen Bargfrede, Eggestein und Kruse) hätte ohne Fehler von Hannover (die nur teilweise erzwungen waren) und ohne Konterstürmer wie Bartels und Kruse aber auch nur schwerlich vier Tore schießen können. Andersherum gilt aber auch, dass Hannover mit Anton, Korb oder Tschauner nicht vier Werder-Tore besser ist als ohne dieses Trio – war eben einfach ein Fußballspiel mit vier Toren für die etwas bessere Mannschaft.
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