Im letzten Spiel der Hinrunde entfaltet sich eine abwechslungsreiche und vielschichtige, an Höhepunkten nicht gerade arme Partie. Ausgehend von einer vielleicht anders erwarteten Leverkusener Mannschaft muss Hannover seinen Plan teilweise ändern, gibt eine Führung her, könnte höher in Rückstand geraten und gleicht am Ende doch noch aus.
- Ein turbulentes Spiel, geprägt von Asymmetrien und Spontaneität. Improvisation (falls es eine ist, wissen wir nicht, gibt aber Indizien) setzt sich unterschiedlich durch: bei 96 im Pressing langsam, aber dann doppelt wirksam, weil sich die Struktur auch auf die Ballbesitz-Staffelung überträgt.
- Bei Leverkusen ist die ohnehin improvisiert/natürlich entstehende Ballbesitz-Asymmetrie ohne Auswirkungen auf das Pressing, das aber dafür in einer Szene wegen einmaliger Improvisation erfolgreich ist – aus dieser Aktion folgt aber keine Ableitung für den allgemeinen Ansatz.
- Die taktische (nicht zwingend geplante/einstudierte) Entwicklung des Spiels lässt sich trotz der Komplexität sehr gut nachvollziehen, weil alles aufeinander aufbaut und ständig Rückgriffe zu beobachten sind. Eine ambivalente Umstellung von Heiko Herrlich ermöglicht 96 den späten Ausgleich.
Minute 1 bis ca. 11 – Sondierungsphase
Anders als in den letzten Wochen ging Leverkusen nicht mit einem sehr offensiv besetzten 3-4-3 ins Spiel, obwohl ihre Aufstellung auch diese Formation hergegeben hätte. Doch Julian Brandt begann nicht erneut als Wingback, sondern tatsächlich als offensiver Mittelfeldspieler auf der (halb-) linken Seite. Die Leverkusener Formation als gewöhnliches 4-2-3-1 zu bezeichnen wäre allerdings auch irreführend, da sich „Rechtsverteidiger“ Henrichs im Ballbesitz wie ein Flügelspieler in einem Fünferkettensystem verhielt: Aus seiner ohnehin höheren Position rückte er weit auf und wurde von Tah wie von einem Halbverteidiger abgesichert. Außerdem initiierte er zusammen mit Bellarabi einige Angriffe in die Tiefe, wie man sie von einem Wingback-Halbstürmer-Gespann erwarten würde, wenn er etwa lange Bälle nach außen weiterleitete, wo sie Bellarabi mit Tempo aus dem Halbraum erlaufen sollte. Retsos als nomineller Linksverteidiger trat viel zurückhaltender auf, rückte nicht einmal hinter die Hannoversche Mittelfeldlinie vor und hielt auch gegen den Ball eher den Kontakt zu Sven Bender, als dass er den Flügel besetzte. Da sich Brandt aber vor allem im Spielaufbau tief (und meistens Richtung Zentrum) im Mittelfeld positionierte, also quasi eine Rolle als einrückender Flügelverteidiger einnahm, kann man dieses Leverkusener System am ehesten als 5-2-3 ohne linken Flügelspieler bezeichnen (oder als 4-2-3-1 mit einem Flügelstürmer als Rechtsverteidiger).
Mit dieser ungewöhnlichen, zum Teil sicherlich „nur“ durch die Interpretation ihrer Positionen durch die Einzelspieler erzeugten Formation konnte Hannover nur schwerlich gerechnet haben. Stattdessen spricht die Aufstellung ebenso wie die Staffelung in den ersten Spielszenen dafür, dass Breitenreiter erneut auf seinen „Heimspiel gegen große Gegner“-Plan zurückgreifen wollte: Im 5-2-3 hätte man das erwähnte Leverkusener 3-4-3 gespiegelt, sich über zehn klare Zuordnungen zum Gegenspieler in das manndeckende, hohe Pressing begeben und den Gegner auf sein Niveau herunterziehen können. Die Startelf-Nominierung von Iver Fossum anstelle von Marvin Bakalorz ist ebenso als Reaktion auf den Gegner zu interpretieren, da ein ballsicherer und pressingresistenter Spieler wie der Norweger gegen das etwas chaotische, aber umso intensivere Attackieren des Ballführenden der Werkself vor allem in Umschaltsituationen eine wichtige Komponente darstellt (die Hannover im Spiel gegen Bayern München noch gefehlt hatte).
Hannovers Improvisation mit strukturellen Konsequenzen
Die Reaktion auf die offenbar anders erwartete gegnerische Formation fiel dann bei 96 (zunächst) als Improvisation aus, was sich als roter Faden über die gesamte Spieldauer durchziehen sollte: Die jeweiligen Anpassungen beider Mannschaften an den Gegner warfen wiederum neue Herausforderungen auf. Die taktische Entwicklung des Spiels, unabhängig davon wie beabsichtigt oder geplant bestimmte Umformungen oder Bewegungen waren, konnte sich deshalb sehr logisch weiterentwickeln.
Hannover sah sich in einem ersten Schritt also dem anders als zuletzt gestaffelten Leverkusener Angriffsspiel gegenüber und fand keine klaren Zuordnungen. Brandt in seiner Zwischenposition im Mittelfeld war ebenso schwer greifbar wie das Anlaufen der gegnerischen Aufbaulinie nicht nach dem gewünschten Muster gelang (Klaus und Bebou auf die Halbverteidiger, Füllkrug auf den Innenverteidiger. Auch die Bewegungen von Mehmedi zu verfolgen, der als hängende Spitze agierte und auf beiden Flügeln präsent war, oder beispielsweise die Orientierung von Ostrzolek (zu Henrichs oder zu Bellarabi?) gelang 96 nicht und sorgte für mangelnden Zugriff.
Leverkusen agierte mit dem Ball sehr engmaschig und staffelte sich mit den nach innen orientierten „Flügelstürmern“ Bellarabi und Brandt kompakt um den Ball. Auch die beiden Sechser hielten nicht nur zueinander, sondern auch zum ballführenden Mitspieler geringe Abstände – das Führungstor durch Brandt entstand nach einer Überladung auf der rechten Seite und dem Dribbling von Sechser Bender auf dem rechten Flügel. Zwar reagierte Hannover darauf ebenfalls mit einem Zusammenziehen um den Ball und dem Einrücken der Flügelverteidiger, doch Leverkusen gelangen schnelle Direktpasskombinationen, in die auch Alario, der sich aus der letzten Linie löste, als Ablagenspieler einbezogen wurde. Außerdem bespielte die Herrlich-Elf nach solchen Überladungen in den Flügel- oder Halbräumen die ballferne Seite dann sehr explosiv. Die vorher eng gestaffelten Offensivspieler sprinteten auseinander, die Formation wurde gewissermaßen dynamisch auseinandergezogen.
Hannover findet eine tragfähige Struktur im Aufbau
Der interessante Aspekt der folgenden Chronologie der Improvisation liegt nun darin, dass 96 eine Antwort auf diese Zuordnungsprobleme über das eigene Ballbesitzspiel fand. Leverkusen presste nämlich eben auch nicht im hohen 3-4-3 oder 5-4-1, sondern organisierte sein auf Stabilität abzielendes Mittelfeldpressing im 4-4-1-1. Hannover stand also in der ersten Aufbaulinie in einer 3-vs-1-Überzahl, hatte dafür aber im Mittelfeldzentrum eine nominelle Unterzahl. Die Flügelverteidiger konnten derweil nicht angespielt werden, weil dieser Passweg im Zugriffsradius der Leverkusener Flügelspieler lag, die eben nicht auf die 96-Halbverteidiger herausrückten. Alario bewegte sich zwischen den Dreierkettengliedern und leitete den Ball nach außen, während Mehmedi nach dem erfolgreichen Leiten seine Manndeckung auf Schwegler an einen Sechser übergab und Alario nach vorne unterstütze.
Die Improvisation auf Seiten Hannovers bestand darin, innerhalb einer Ballbesitzsequenz von einem Dreier- auf einen Viererkettenaufbau umzustellen: Sorg bewegte sich nach außen, schob etwas nach vorne und positionierte sich symmetrisch zu Ostrzolek. Korb rückte in Brandts Rücken weiter auf, wurde zum Aushilfs-Flügelstürmer und erhöhte die Offensivpräsenz. Klaus wurde dadurch von der rechten Seite befreit und rückte in den Zehnerraum im Rücken der Bayer-Sechser, sodass die Raumbesetzung im Zentrum auf dem Papier wieder ausgeglichen war. Mit diesem behelfsmäßigen 4-2-3-1 konnte Hannover sein vertikales Angriffsspiel mit Ablagen der Stürmer und Sprints in die Tiefe besser aufziehen, während gleichzeitig die gegnerischen Abwehrspieler gebunden werden konnten. Lars Bender und Kai Havertz mussten daher sehr viel mit nach hinten arbeiten und zusätzlich zu ihrem großen Laufaufwand beim Verteidigen der Flügel auch noch Lücken in der Viererkette füllen.
Doch die Kehrseite dieser wohl eher spontanen Umformung (in einer TV-Einstellung ist Breitenreiter zu sehen, wie er vier Finger hochhält und mit einem eher unzufrieden-überrumpelten Gesichtsausdruck „vier“ sagt; das ist aber erst nach 22 Minuten, als die vorher wohl spontane Umformung also vielleicht explizit bestätigt wird) lag nun darin, dass die Viererkettenstruktur den Leverkusenern ermöglichte, sich im Pressing klar zuzuordnen und den Spielaufbau in der ersten Phase zu erschweren: Alario konnte die 96-Innenverteidiger zielgerichteter voneinander isolieren und Mehmedi nachrücken, Brandt und Bellarabi konnten die 96-Außenverteidiger konventionell anlaufen. Den Übergang von der damit eigentlich abgeschlossenen Sondierung in den ersten Spielminuten hin zu einer stabileren Spielphase bewerkstelligte Waldemar Anton deshalb auch mit einer gelungenen Einzelaktion zum Knacken des Leverkusener Pressings: Mit einem Dribbling zwischen Alario, der ihn zur Seitenlinie abdrängen wollte, und dem ungeschickt und zu früh auf Ostrzolek pressenden Bellarabi hindurch überwand er die erste Pressinglinie. Obwohl sich Leverkusen kompakt zurückziehen konnte, fand Hannover den Weg in den Strafraum – und Klaus neue Rolle als Halbstürmer sorgte mit einem Sprint in die Tiefe für den Elfmeter zur Führung.
Hannovers Pressing als Weiterentwicklung der Ballbesitz-Improvisation
Mit der Führung im Rücken wurde das Pressing zum wichtigen Element im 96-Spiel. Das Problem, die taktische Maßgabe der mannorientierten Zuordnung trotz der unpassenden gegnerischen Formation zu erfüllen, gelang Hannover jetzt, indem Klaus einfach seine neue Rolle aus der Ballbesitz-Umformung ins Pressing übertrug. 96 entwickelte sich im Umfeld des Führungstors immer mehr zu einem 5-2-1-2-Pressing mit Klaus als Zehner hinter dem Sturmduo Bebou-Füllkrug, das die Leverkusener Innenverteidiger versperrte, oder einem 4-3-3, wenn Korb weit auf Retsos herausrückte. Jetzt konnte sich Schwegler um den vorher schwer greifbaren Brandt kümmern, während Fossum und Klaus die gegnerische Doppelsechs zustellen und sie beim Abkippen im Aufbau auch verfolgen konnten.
Leverkusen sah sich daher zu langen Bällen oder Chip-Pässen in etwas lockerer besetzte Räume gezwungen, um sein weiterhin anvisiertes Zusammenziehen um den Ball, die schnellen Kombinationen auf engem Raum und das Ausbrechen in alle Richtungen anzustoßen. Durch die geringen Abstände blieb ihr Gegenpressingzugriff weiterhin gut und die Intensität im Spiel folglich hoch, doch die klareren Zuordnungen bei 96 halfen jetzt auch beim geordneten Zurückziehen. Im Lauf der ersten Halbzeit funktionierte Hannovers Formation daher zunehmend wie ein 5-4-1 mit einem sehr engen Mittelfeld. Für beide Seiten gab es in der Kombination aus Zustellen und Gegenpressing kein rechtes Durchkommen.
Auch Leverkusen improvisiert – aber mit nur punktuellem Effekt
Hatte Leverkusen bis dahin noch kein konsequentes Angriffspressing gezeigt, rückte die Herrlich-Elf bei einem Abstoß von Tschauner doch einmal weit auf. Hannover staffelte sich allerdings wohl auch anders als erwartet, indem nämlich Sorg und Anton zur Bildung der mittlerweile typischen Abstoß-Torwartkette zur Grundlinie zurückfielen und Sané nach vorne neben Schwegler rückte. Bisher war Sané nur von einem der beiden angelaufen worden, doch die offensichtliche Uneinigkeit zwischen Alario und Mehmedi (beide signalisieren dem jeweils anderen, er solle Sané stören) führte zum Ausgleichstreffer: Mehmedi und Alario liefen Sané gleichzeitig von beiden Seiten an und zwangen ihn zur Entscheidung (ohnehin das beste, was man gegen Sané machen kann), während Havertz auf Schwegler herausrückte und Lars Bender Fossum aus dem Spiel zu nehmen drohte – diese improvisierte Pressingfalle schnappte zu, Sané spielte den Ball Bellarabi in den Fuß, der Mehmedi (nach Kreuzen mit Alario, das Sané erneut verwirrte) bedienen konnte und somit den Ausgleich vorbereitete.
Im Unterschied zu 96 ließ Leverkusen diese spontane Anpassung aber nicht in sein weiteres Spiel einfließen: Bei den folgenden Abstößen, die Hannover nach dem gleichen Muster auszuspielen gedachte, hielt sich Leverkusen zurück und ließ 96 den Raum, Sané wieder zum Innenverteidiger und Sorg zum Außenverteidiger werden zu lassen. Abgesehen von einem weiteren Anton-Dribbling zwischen Alario und Bellarabi hindurch offenbarte das 4-4-1-1-Mittelfeldpressing der Gäste keine weiteren Lücken. Die erhoffte Stabilisierung durch die bekannten Abläufe war erfolgreich, und Hannover suchte von den Innenverteidigern meistens den Weg auf die Flügel. Zwar gelangen dort dann einzelne gute Ablagen auf Fossum und Klaus oder ebenfalls schonmal gesehene Pendelbewegungen (ein Spieler lässt sich außen zurückfallen, der vorher tiefer stehende startet dafür durch und anschließend andersherum), ein richtiges Durchkommen gab es aber nicht. Erst ein Fehler von Brandt nach einem Abstoß sorgte für das 3:2: Erneut war es Klaus‘ neue Rolle als Tiefensprint-Zehner, die den entscheidenden Vorteil nach Füllkrugs Ablage einbrachte.
Nach der Pause: Neue Chronologie der Umstellungen
In der zweiten Halbzeit war es nunmehr Bayer Leverkusen, das für den Impuls zur taktischen Weiterentwicklung des Spiels sorgte: Mit Bailey und Kohr für die beiden Benders stellte Herrlich auf das gewohnte 3-4-3 um. Mit Mehmedi und Bailey auf den Flügel„verteidiger“-Positionen und den gelernten Außenverteidigern Henrichs und Retsos als Halbverteidiger neben Tah war Leverkusen nicht nur um-, sondern vor allem sehr offensiv aufgestellt. Zu dieser neuen Formation passte nun aber Hannovers 5-2-1-2-Pressing nicht mehr: Klaus Vorrücken auf Retsos befreite Havertz, der von Schwegler hätte aufgenommen werden müssen (Schwegler schien aber noch im Absicherungsmodus hinter Fossum und Klaus wie vorher). Außerdem sorgte Korbs enge Verfolgung von Brandt, der weiterhin eingerückt spielte, prinzipiell dafür, dass Platz für den sehr schnellen Bailey auf dem Flügel geöffnet wurde. Nach einem Einwurf auf der rechten Seite war es dann auch eine Frage der fehlgeschlagenen Zuordnung, die erst Brandt und dann Havertz den Raum verschaffte, um Bailey hinter die Abwehr schicken zu können (die Formation spielte dabei aber höchstens unterschwellig eine Rolle, weil Anton und Ostrzolek ihre Gegenspieler Alario und Bellarabi nicht gut aneinander übergeben und Schwegler allgemein zu passiv bleibt).
Und erneut – die Leverkusener Umstellung hielt auch eine Kehrseite bereit: Einerseits konnte sich Bayer der zwar weiterhin 4-1-2-3-haften, aber mit Korb und Sorg auch leicht asymmetrischen Ballbesitzstruktur bei 96 nicht so genau zuordnen, wie es die Neigung zur Mannorientierung aus ihrer 4-4-1-1-Phase verlangt hätte. Kleinere Improvisationen stabilisierten das Gebilde zunächst notdürftig, indem Mehmedi tief bei Bebou blieb und sich Bellarabi um Ostrzolek kümmerte, während Brandt und Havertz zwischen zwei Gegenspielern standen, theoretischen Zugriff auf beide (etwa Klaus und Fossum zwischen Havertz) halten und so eine Unterzahlbildung vermeiden konnten.
Vor allem geriet es Leverkusen aber zum Nachteil, dass Hannover angesichts der neuen Bayer-Formation jetzt wieder zu seinem Ursprungsplan zurückkehren konnte: Das Zustellen im 5-2-3 mit Klaus als Stürmer neben Füllkrug und Bebou. Somit waren jetzt die Formationen anders, das Prinzip dadurch aber jetzt von Anfang an das gleiche wie in der ersten Halbzeit: Beide stellen einander zu, Leverkusen sucht nach Direktkombinationen in Überzahlballungen und dem schnellen Auseinanderziehen, Hannover antwortet darauf mit einem kompakten 5-4-1. Mit Baileys Tempo und seiner Dynamik in die Tiefe kam für Leverkusen zwar ein klarer Fokus in ihrem Angriffsspiel hinzu. Zusammen mit der offensiven Art ihrer Halbverteidiger, die nachrückten oder relativ weit andribbelten, und einer offensiveren Spielweise von Havertz als vorher hatte Bayer aber eben auch mehr mit der Konterabsicherung zu kämpfen (und vermisste Lars Bender dabei sehr). Im defensiven Umschalten musste Brandt häufiger für Bailey die Flügelverteidiger-Rolle übernehmen, da er den kürzeren Weg hatte. Insgesamt verlor Leverkusen darüber ein wenig seine Kompaktheit und seinen Zugriff im Gegenpressing.
Hannover wusste das durchaus zu nutzen, weil sich die neue Pressingformation („andersherum anders“ als in der ersten Halbzeit) eben nicht auf die Ballbesitzstaffelung übertrug – im Angriff blieb die 4-3-3-Struktur weitgehend erhalten. Woran das gelegen haben könnte ist nicht ganz klar, vermutlich lag es auch in der Umschaltbewegung begründet, die Klaus eher in die Mitte und Korb die Linie entlang nach vorne trieb. In dieser Phase des Spiels gab es nämlich ohnehin keine ruhigen Phasen, ein Schnellangriff oder Konter wurde vom nächsten gefolgt. Mit der 1-2-Staffelung im Mittelfeld (Schwegler hinter Fossum und Klaus) konnte 96 die weniger griffigen Linien im Leverkusener Pressing überspielen, den Platz zwischen der früh zurückfallenden Bayer-Abwehr und dem etwas langsameren Mittelfeld ausnutzen und mit Ablagenangriffen auch die Flügelspieler mitnehmen. Allerdings spielte 96 diese Szenen sogar zu direkt aus und trug damit dazu bei, dass das Spiel eben schnell und wild blieb, was Leverkusen wegen seiner Spieler und der grundsätzlichen Spielanlage trotz Müdigkeit stärker entgegenkam. Zur Kompensation der Kompaktheitsprobleme presste Leverkusen dann aber kollektiv tiefer und ließ Hannover mehr Zeit im Aufbau – und nutzte nach ca. einer Stunde ausgerechnet in dieser einzigen ruhigen Phase der zweiten Halbzeit einen Konter über Bailey zum 3:4.
Theoretisch steckt in #H96B04 relativ viel drin: Leverkusen spielt ungewöhnlich und für 96 eher unangenehm, bietet aber auch sehr passende Schwachstellen an. Und 96 scheint Zustellen im 5-2-3 geplant zu haben, ihre Aufstellung sieht aber eher nach 4-3-3 mit Stürmer-Achtern aus.
— Niemals Allein (@niemalsalleinDE) 17. Dezember 2017
Gegen dieses tiefere 5-4-1 versuchte sich Hannover hauptsächlich an Angriffen über die Flügel – was gegen drei bis vier defensive Spieler in den Flügelräumen keine gute Idee ist. Leverkusen durfte daher richtig aus der Tiefe kontern und erspielte sich zwei, drei gute Chancen. Doch weil die Bayer-Elf keine davon nutzte, hielt das Spiel noch eine weitere taktische Veränderung bereit, die den Ausgang beeinflusste: Hannover stellte mit Benschop für Sorg auf ein 4-4-2 um und setzte auf Offensivpräsenz, lange Bälle und Flanken – doch Heiko Herrlich brachte mit Ramalho nicht nur einen zusätzlichen Kopfballspieler, sondern baute damit auch seine Mannschaft in ein 4-4-2 mit Henrichs und Retsos als Außenverteidiger, Mehmedi als hängender Spitze und Bailey als Konterdrohung weiter vorne im Feld um. Einerseits vielversprechend – andererseits: mit einem Abwehrspieler weniger konnte Leverkusen schlechter auf das Nachrücken von Fossum und Klaus in die Sturmreihe reagieren. Kurz vor dem Abpfiff verlor Bayer tatsächlich in der Abwehr die Übersicht, Ramalho rückte gegen Fossum heraus, verlor dabei Bebou aus den Augen und Korb konnte mit ein bisschen Glück für Hannover ausgleichen.
Ein erneutes „ausgerechnet“: Korb trifft von innerhalb des Strafraums in genau der Spielphase, in der er nominell am weitesten von einer Flügelstürmer-Rolle entfernt ist. Ein würdiger Schlusspunkt unter ein sehr vielschichtiges und taktisch hochgradig intradependetes Spiel mit dem ständigen Rückgriff auf einzelne Elemente aus vorangegangenen Spielphasen – egal, ob sie geplant oder improvisiert zustande gekommen waren.
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