Mit ungewöhnlichem System will Köln eine seiner letzten letzten Chancen im Nichtabstiegskampf nutzen. Die defensiven Schwächen bringen 96 viele Abschlüsse ein, die nötige Umstellung bringt Köln danach nicht genügend offensive Durchschlagskraft.
- Stefan Ruthenbeck mischt für seine Mannschaft zwei selten zusammen gesehene taktische Elemente: Vor der Stabilität versprechenden Fünferkette verordnet er seiner Mannschaft eine Raute im Mittelfeld. Hannover möchte wieder ins zustellende Angriffspressing aufrücken, scheint aber nicht mit der ungewöhnlichen Formation gerechnet zu haben.
- Fünf Verteidiger und vier Mittelfeldspieler lassen aber nur noch Platz für einen Stürmer: Köln will (und muss) möglichst oft in die Spitze spielen, ist dafür aber nicht optimal formiert. Zwischen der Hektik nach vorne und der eigentlich für Kombinationen stehenden Raute zerbröselt der Kölner Angriffswille ein wenig, sodass 96 besser ins Spiel kommt.
- Hannover bewegt sich im Angriff sehr gut und bringt die FC-Abwehr gehörig durcheinander. Gerade, als 96 die gegnerischen Schwächen aufgedeckt hat, stellt Ruthenbeck aber schon wieder um.
Kölns interessante Formation…
Köln ging mit einer sehr selten gesehenen Formation ins Spiel, die einerseits offensiv interessante Möglichkeiten andeutete, andererseits aber gerade für die defensive Stabilität einige Fragezeichen hinterließ. Nach zuletzt zu vielen Gegentoren stellte Ruthenbeck auf eine Fünferkette um, ordnete sein Mittelfeld hinter Solo-Stürmer Terodde aber in einer Raute an, deren Halbspieler Jojic (links) und Özcan (rechts) im Angriffsspiel relativ oft in die Sturmreihe aufrückten und auch gegen den Ball am wirkungsvollsten wurden, wenn sie sich nach vorne orientierten.
Bei Hannoverschem Ballbesitz rückten die Kölner vor allem in der Anfangsphase in ein höheres 5-1-3-1-Mittelfeldpressing auf und konnten im besten Fall 96 am flachen Passspiel ins Mittelfeld hindern, aber keinen dauerhaften Druck aufbauen. Auch im tieferen Verteidigen im 5-3-1-1 standen sie nämlich in der vordersten Reihe immer in Unterzahl und hatten nur wenig Zugriff auf Hannovers Spielaufbau. 96, das erneut im 5-2-3 begann, konnte den Ball von Halbverteidiger zu Halbverteidiger verlagern, da Osako den tieferen Sechser Schwegler zustellte und der (nach vorne) ohnehin eher pressingschwache Terodde „nur“ zu einer Seite leiten konnte. Die Rolle der Kölner Halbspieler bestand vornehmlich in der Kontrolle der Halbräume, wie schon Hamburg im Ansatz verfahren war: Einerseits blockierten Jojic und Özcan die Passwege durch die Halbräume in die Spitze auf die sich aus der letzten Linie lösenden Stürmer, andererseits waren sie in ihrer Grundstellung nicht zu weit von Hannovers Halbverteidigern entfernt, um sie bei Bedarf anlaufen zu können und ein Andribbeln zu unterbinden.
Im Prinzip versprach diese defensive Herangehensweise eine ordentliche Stabilität und das unkomplizierte Leiten des gegnerischen Spiels nach außen, wo man mit einer Raute vor einer Dreierkette auch sehr gute Aussichten auf ein abgesichertes Verschieben hat. In der ersten Hälfte des ersten Durchgangs gelang den Kölnern damit auch ein stabiler Abwehrvortrag.
… gerät in der Endverteidigung instabil
Größere Probleme zeigten die Rheinländer aber schon von Anfang an mit der Kontrolle der Räume neben Sechser Höger, wenn das Mittelfeld einmal überspielt war. Nach langen Bällen, in Kontern oder einfach aus der tieferen Pressing-Ordnung heraus, nachdem Hannover beispielsweise einen Kölner Konter abgefangen hatte oder nach dem gewonnenen zweiten Ball neu aufbaute, fand Köln kaum Zugriff auf Bewegungen der 96-Spieler durch den Zehnerraum hindurch. Klaus, der von rechts und aus einer etwas tieferen Position immer diagonal oder quer durch den Zehnerraum läuft, ein heute häufiger zu sehendes Herüberlaufen von Bebou und auch Läufe in die Tiefe von Fossum und Füllkrugs Ausweichen fanden alle im Rücken der Köln-Achter statt und waren kaum bzw. nur sehr schwer zu verfolgen. Erschwerend hinzu kam, dass sich die Kölner Halbverteidiger sehr mannorientiert verhielten und weit aus der Abwehr herausrückten, wenn Köln höher stand. Zudem nahm Höger auch oft Fossum in Manndeckung, der sich im 96-Aufbau schon weiter in Richtung des Sturms orientierte als zuletzt.
Die Feinabstimmung, die sich sehr gut bewegenden Gegenspieler aneinander zu übergeben, gelang den Kölnern nicht, insbesondere wenn sie sich an den Strafraum zurückfallen ließen. Einerseits hatten die Innenverteidiger wenig Unterstützung aus dem Mittelfeld (eher wegen des Sichtfelds als wegen zu großer Abstände), andererseits hätten gerade die unbeweglichen Sörensen und Heintz diese gebraucht, um die kreuzenden Läufe der 96-Stürmer zu verteidigen. Wenn dann auch noch Höger beschäftigt wurde, genügte schon das Weglaufen von Füllkrug, dessen nomineller Gegenspieler eigentlich so selten wie möglich die Abwehrzentrale verlassen sollen müsste, um die Kölner Abwehr zu zerreißen – so geschehen etwa vor der (eher mittelguten) Chance von Bebou, aber auch vor dem Ausgleichstreffer.
Grandioses Tor! Füllkrug zum 1:1. ?#KOEH96
?⚪️? pic.twitter.com/yUzAl2Uv6Z— Ninety-six (@Kitto_NinetySix) 17. Februar 2018
Hannovers Pressing mit gefährlichen Lücken
Ähnlich ambivalent geriet auch das Kölner Angriffsspiel: Mit der Dreierkette im Aufbau gestattete der FC dem Gegner, mit seinem 5-2-3 mannorientiert ins Angriffspressing aufzurücken und die Spielauslösung stark einzuschränken. Für lange Bälle nach vorne, die Klaus und Bebou oft erzwangen, hätte die Raute den Vorteil geboten, einen oder zwei zusätzliche Spieler mit einer offenen Körperstellung für zweite Bälle im Mittelfeld vorzufinden. Um diesen Vorzug des Systems nutzen zu können, hätte es allerdings vorher zuverlässig einzuplanender Ablagen bedurft – einerseits ist Terodde viel mehr ein Weiterleitungs-, als ein Wandspieler, andererseits war er als einziger Stürmer gegen drei zentrale 96-Verteidiger natürlich ständig in nahezu aussichtsloser Unterzahl.
Einzig die Überzahl der Kölner im zentralen Mittelfeld sorgte am Anfang des Spiels für gute Szenen und gefährliche Durchbrüche: Hannover konnte sich mit seinen beiden Sechsern nicht eins-zu-eins den Gegenspielern zuordnen, ohne mindestens einen Kölner ungedeckt zu lassen. Da Fossum meistens Höger zustellte und Schwegler tendenziell auf Jojic herausrückte, der halblinks etwas tiefer spielte als Özcan, konnte Köln beispielsweise nach gewonnen zweiten Bällen oder (seltener) nach gelungenen Flachpässen auf Özcan/Terodde mehrmals den freien Osako im Zehnerraum finden und auf die Abwehr zulaufen. Dabei spielte die Höhe der Kölner Halbspieler nicht nur für die Passdistanzen eine Rolle, sondern war auch deshalb relevant, weil sie bei zu frühem Aufrücken einfach von den 96-Halbverteidigern gedeckt werden konnten und damit quasi aus dem Spiel waren.
Kölns mangelnde Durchschlagskraft bringt 96 ins Spiel
Insgesamt war Köln in der Ballzirkulation aber nicht stabil genug, um gegen Hannovers Angriffspressing oft genug solche Situationen zu provozieren. Außerdem spielte die Ruthenbeck-Elf oft zu überstürzt ins letzte Drittel und ging zu schnell auf den Schnittstellenpass, was auch wegen der eher geringen Sturmpräsenz nicht zum Erfolg führte. Aussichtsreiche Staffelungen im Mittelfeld auszuspielen und dann beispielsweise die durchaus offensiv ausgerichteten Flügelverteidiger mitzunehmen, wäre in vielen Situationen die bessere Wahl gewesen. Doch die Orientierung von Özcan und Jojic in die letzte Linie deutete schon an, dass das Augenmerk bewusst auf schnelle, vertikale Angriffszüge gelegt werden sollte. Ein gewisser Mangel an strategischer Qualität bei eigentlich allen vier Kölner Mittelfeldspielern sorgte dann dafür, dass überspitzt gesagt steil gespielt wurde, wenn der ballnahe Achter tief stand und quer, wenn der Halbspieler vom 96-Halbverteidiger gedeckt war.
Ohnehin ist von den Kölnern eher Torgefahr über Konter zu erwarten, für die mit den drei offensiven und eher ins Zentrum orientierten Mittelfeldspielern auch aussichtsreiche Bedingungen vorlagen – für das Ausspielen der schnellen Angriffe fehlte im verwendeten System aber eine zweite Option in der Tiefe, sodass Köln entweder schon den Umschaltpass schlecht verwerten konnte, oder für den zweiten Pass im Konter nur eine Anspielstation hatte. Über gute Ansätze kam die Ruthebeck-Elf also selten hinaus, auch weil Klaus und Bebou sehr gewissenhaft mit zurückarbeiteten und das 96-Mittelfeld gegen Osako und die Halbspieler unterstützten. Insgesamt kam 96 daher im Lauf der Halbzeit häufiger an den Ball und konnte entweder mit eigenen (Gegen-) Kontern die schwer kontrollierbaren Räume neben Höger attackieren (dabei half die erwähnte tiefere Stellung von Klaus und Bebou sehr und besorgte auch Bebous größere Chance kurz nach dem 1:0), oder nach zweiten Bällen die typischen, nicht spiel-entscheidenden aber latenten Probleme einer Mittelfeldraute offenlegen. Die Orientierung für die Halbspieler ist vor allem bei zweiten Bällen schwieriger, was man vielleicht insgesamt unter dem „Fehlen“ von Kettenmechanismen zusammenfassen kann.
Ruthenbecks Umstellung(en) für mehr Stabilität
Angesichts der defensiven Anfälligkeit, die vor allem nach der Kölner Führung auch in Form von sich mehrenden und qualitativ hochwertiger werdenden Hannover-Chancen greifbar wurde, sah sich Ruthenbeck zu einer taktischen Reaktion gezwungen. Mit Özcan neben Höger und einer jetzt deutlicher als 5-2-2-1 (Osako als halbrechter Stürmer/Zehner, Jojic links) erkennbaren Formation sollte wohl die Anfälligkeit im defensiven Mittelfeld gemindert werden – Freiburg hatte gegen Hannover vor einer Woche ja nicht nur zwei Sechser vor seine Dreierkette gestellt, sondern auch noch das Defensivverhalten der Halbverteidiger wesentlich stärker auf Stabilität fokussiert angelegt und war damit zumindest defensiv gut gefahren. Als Reaktion auf diese kleine Umstellung (obwohl es dafür eigentlich zu schnell ging, also vielleicht eher ein passender Zufall, weil es auch ohne die Kölner Änderung sinnvoll gewesen wäre) wurde wiederum auch Hannovers Pressingformation leicht angepasst: Klaus rückte von seiner rechten Seite eine Reihe nach hinten und spielte eher neben Fossum, also als Achter in einem 5-1-2-2 hinter Bebou (der allerdings eine Mischrolle aus Stürmer und rechtem Flügelspieler einnahm) und Füllkrug. So passte die 96-Formation jetzt besser zur gegnerischen Mittelfeldstaffelung, 96 musste sich aber stärker zurückziehen und konnte nicht mehr gut ins Angriffspressing aufrücken. Köln konnte die letzten Minuten des ersten Durchgangs noch dominant und fast-gefährlich gestalten.
Nach der Halbzeitpause ging der ehemalige Fürth-Coach noch einen Schritt weiter und baute sein Team in ein 4-2-3-1 um. Risse ging nach vorne ins Mittelfeld, Sörensen spielte als neuer Rechtsverteidiger und Jojic rückte nach links im Mittelfeld vor Hector. Damit hätte der FC in der ersten Linie eine Überzahl im Aufbau gegen Hannovers Dreiersturm gehabt, die auch durch den abkippenden Höger aufrecht gehalten worden wäre, als Hector später immer offensiver wurde. Doch schon zum Wiederanpfiff, vielleicht als schnelle Reaktion auf die gegnerische Anordnung beim Anpfiff, vielleicht (wieder) zufällig, vielleicht in Erwartung der Umstellung, hatte auch Breitenreiter seine Mannschaft in ein Viererkettensystem umgebaut. Mit Korb als rechtem Flügelspieler, Sorg als Außenverteidiger und Klaus als Zehner spielte auch 96 im 4-2-3-1 und konnte sich im Pressing wieder geordneter bewegen (allerdings mit Klaus als Manndecker für einen Sechser und den Flügelspielern, die neben Füllkrug aufrückten und insgesamt sehr eng mannorientiert), ohne den Zugriff auf einzelne Gegenspieler preiszugeben.
Köln drängte nahm das Spiel, das mit den klaren Zuordnungen mal wieder recht zweite-Ball-lastig und unrund ablief, in die Hand und behauptete das Ballbesitzübergewicht für sich. Dass weiterhin ordentliche Übergänge nach vorne gelangen, lag vor allem an sehr guter Positionierung von Osako, der vor allem auf der halbrechten Seite geschickt zwischen den Linien und Gegenspielern anspielbar wurde. Dank seiner starken Ballbehandlung und mit seinen guten Drehungen konnte er einige Flachpässe behaupten und Risse auf dem Flügel mitnehmen. Doch die gewisse Ungeduld im Übergang ins letzte Drittel prägte das Kölner Spiel weiterhin – jetzt hatte der FC nur mehr Gelegenheit, sich für den verfrühten Pass in die Spitze zu entscheiden. Die Diskrepanz zwischen „eigentlich spielt Köln nicht so schlecht“ und „sie haben trotzdem keine Torchancen“ vergrößerte sich deshalb zunehmend, während 96 nur einen oder zwei Konter durchspielen konnte. Statt aber mit einem zusätzlichen Angreifer für mehr Sturmpräsenz und somit bessere Verwertungsmöglichkeiten für Flanken und Pässe hinter die Abwehr sorgen zu können, musste Köln Zoller für Terodde einwechseln, sodass auch ein bisschen Pech in die relative Harmlosigkeit der Kölner gegen ein am Ende recht passives 96 hineinspielte.
Fazit
Die Kölner wählten bei einer ihrer letzten Möglichkeiten, nochmal den Anschluss an den Relegationsplatz herzustellen, eine sehr ungewöhnliche Formation, mit der 96 auch sichtlich nicht gerechnet hatte. Der Ruthenbeck-Elf gelang es allerdings nicht, die offensiven Möglichkeiten ihrer Raute konsequent zu nutzen. Hannovers sehr gute Bewegungen in der Sturmreihe passten wiederum gut zu den Schwachstellen im Kölner Defensivplan. Die Mischung aus instabilem defensiven Mittelfeld und Manndeckung durch eher unbewegliche Verteidiger bescherte 96 ein Chancenplus. Diese aber auch eher kurze Spielphase genügt wegen der Kölner Überlegenheit dank Osako und Hector in der zweiten Halbzeit leistungsgerecht nicht zu mehr als einem Unentschieden. Mit etwas mehr Geduld mit dem Ball hätte Köln vielleicht seine vielleicht letzte Chance nutzen können.
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