Lars Stindl ist so gut, dass Breitenreiter seine Aufstellung nach ihm ausrichtet. Hannover gestattet den Gästen aber zu große Dominanz, sodass die eigene Offensive erst spät entwickelt werden kann.
Gladbacher Dominanz trotz speziellem 96-Defensivplan
Zuletzt wurde das 5-2-3 selbst dann aufrecht gehalten, wenn es nicht optimal zum Gegner passte. Gegen Gladbach begann 96 jedoch im 4-1-4-1, obwohl die Besetzung der Positionen erfahrungsgemäß nicht optimal ist (Anton als Sechser ist Durchschnitt, Schwegler als Achter ist nicht so gut, Fossum ist neben Schwegler dann der eher Zehner-hafte Achter und Fossum ist eben kein Zehner). So konnte gegen die Gladbacher System-Eigenheit eines der defensiven Grundprinzipien durchgezogen werden: Gladbach spielt nämlich ein 4-5-2, weil Stindl als hängender Sturm-Zehner doppelt zählt und die Doppelsechs ständig um einen Spieler aufstockt. Mit dem 4-1-4-1, in dem sich Anton am Anfang relativ eng an Stindls Fersen heftete, konnte sich Hannover im zentralen Mittelfeld an allen Gegenspielern orientieren und sie weitgehend zustellen. Dafür musste Breitenreiter Stürmer opfern, sodass 96 in der ersten Linie in Unterzahl stand, nicht in ein hohes Pressing aufrücken konnte und sich meistens um die Mittellinie herum positionierte.
Gladbach konnte sich deshalb mit seiner prinzipiell schon dominanten Ausrichtung vom Start weg durchsetzen und das Spiel kontrollieren. Wenn 96 doch einmal höher aufrückte, konnte sich Gladbach mit dem Zurückfallen von Kramer oder über Sommer befreien, aber da das zentrale Mittelfeld in der Regel zugestellt war, musste sich die Hecking-Elf oft auf den Flügel lösen. Dennoch war das Zentrum aus 96-Sicht anfällig: Stindls Bewegungen nach hinten und von dort in praktisch alle Zehnerraum-Zonen sind nicht sehr Manndeckungs-geeignet (daher gab es ja auch keine systematisch enge Manndeckung, aber eine klare Zuordnung wird in manchen Szenen automatisch dazu), sodass er vor allem nach zweiten Bällen zwar gedeckt war, aber trotzdem an den Ball kam. Außerdem ist die bekannte Reaktion auf das Stindl-Fallen, das diagonale Einrücken und Einstarten von Hazard (bzw. dem jeweiligen Flügelspieler), bei dem richtigen Timing nur schwer zu verteidigen, zumal Gladbach mit Bobadilla jetzt auch einen sehr präsenten Wandspieler im Sturm hat. Auch Hofmann positionierte sich oft eingerückt, sodass die 96-Flügelspieler etwas in der Luft hingen und relativ oft überspielt wurden. Die Innenverteidiger nutzten ihre Freiheiten im Aufbau oft für flache Pässe an den 96-Achtern vorbei auf die beweglichen Offensivspieler, oder für Flugbälle auf Bobadilla, um den zweiten Ball mit den engen Abständen zwischen den Offensivspielern verwerten zu können. Die nachrückenden Außenverteidiger sorgten für Offensivdruck und Breite, während vor allem Hazard zu einigen gefährlichen Schnittstellenläufen ansetzte.
Hannover verteidigte zwar mit allen drei zentralen Mittelfeldspielern sehr tief am eigenen Strafraum und versperrte den Strafraum daher weitgehend zuverlässig, kam so aber auch kaum einmal aus der Verteidigung heraus. Mit den Schnittstellenpässen, denen natürlich in der Regel ein schnellerer Angriffszug vorausging, kam 96 hingegen nicht gut zurecht. Anton fiel deswegen kurz vor dem Halbzeitpfiff schon früher in die Abwehr zurück und füllte die Abwehr zur Fünferkette auf. Die hohe individuelle Qualität der Gladbacher, die in einem dominant geführten Spiel noch stärker zur Geltung kommen kann, sorgte für ein klares Chancenplus.
Hannovers Offensive erwacht erst spät
Erst gegen Ende der ersten Halbzeit, als sich Hannover etwas besser tief zurückzog, kam 96 auch offensiv zur Geltung. Die Gladbacher Außenverteidiger rückten weit auf und gaben viel Platz in ihrem Rücken zum Kontern frei, den Hannover vor allem über die linke Seite nutzte, wo Hofmann ja auch noch oft in den Halbraum einrückte. Aus der vielbeinigen Strafraumverteidigung waren die Wege nach vorne natürlich weit, sodass nur Annäherungen ans Tor gelingen konnten. Den 96-Aufbau hatte Gladbach zuvor trotz Unterzahl im Sturm wesentlich effektiver lahmgelegt als der Gegner, da die Borussia mit Stindl und Bobadilla gegen die Aufbau-Dreierreihe mit Anton weite Wege ging und auch riskanter aufrückte. Zakaria rückte auf Schwegler auf, der in den wenigen Aufbau-Szenen auch noch zu sehr mit Anton und Fossum in einer vertikalen Linie stand und so wenig Entlastung anbieten konnte. Dass 96 verhältnismäßig selten den Ball hatte, sorgte dafür, dass die Gladbacher Probleme in der Verteidigung kaum zum Vorschein kamen: Nach langen Bällen auf Füllkrug und die Flügelstürmer bewegten sich die VfL-Verteidiger sehr weit aus ihren Positionen heraus, ohne dabei abgesichert zu werden. Die freigewordenen Räume konnten vor allem Fossum und Bebou immer wieder ansteuern und dem 96-Spiel damit einen besseren Tiefgang bescheren, als es der 96-Auftritt über weite Strecken andeutete. Außerdem hatte die 1-2-Staffelung im Mittelfeld Vorteile bei Abprallern und Ablagen, weil Gladbach ja in dieser Zone auch oft in Unterzahl stand. Ausnutzen konnte Hannover solche Szenen aber selten, auch weil Gladbach eine ordentliche Intensität im Zusammenziehen und Gegenpressing zeigte.
In der zweiten Halbzeit blieb die teilweise erschreckend schlechte Abstimmung in der Borussia-Defensive präsent, wurde von Hannover aber besser aufgedeckt: Mit einem 5-3-2 (Maier als halblinker Zehner, Fossum jetzt eher Achter vor Schwegler, Bebou als Mischung aus zweitem Stürmer und rechtem Flügelspieler, sodass 5-1-3-1-ähnliche Staffelungen entstanden) hielt 96 den Zugriff im zentralen Mittelfeld weitgehend aufrecht, hatte aber mehr Offensivpräsenz und eine gleichzeitig stabile Absicherung gegen Schnittstellenpässe. Aufgegeben wurden dafür die wie schon erwähnt teilweise ineffektiven Flügelspielerpositionen aus dem ersten Durchgang. 96 konnte Gladbach besser an den eigenen Strafraum zurückdrängen, die Flügelverteidiger hochschieben und mit Maier und Fossum, die in den Sturm nachrückten, dafür sorgen, dass Schwegler (und später Anton, als Sorg ihn als Halbverteidiger ersetzte) im Rückraum relativ frei an den Ball kam. So konnte 96 den Druck hochhalten und das schlechte Verteidigen der Gladbacher ausnutzen. Ausweichende Läufe von Füllkrug und Bebou wurden von den Innenverteidigern verfolgt, die Sechser schlossen die Lücken nach hinten aber schlecht, sodass immer wieder Bewegung in den Strafraum gebracht werden konnte und sich Hannover mehr Abschlüsse erspielte. Zwar konnte Gladbach jetzt öfter kontern, aber die Offensivspieler, die von den offensiver werdenden Sechsern unterstützt wurden, zogen sich teilweise zu spät wieder mit zurück. Die Schlussphasen-Brechstange hätte vor dem Hintergrund der Gladbacher Probleme mit der Endverteidigung entweder noch früher kommen müssen, oder das Augenmerk hätte, beispielsweise mit einer Einwechslung von Harnik, stärker auf Läufe in die Tiefe gelegt werden können. So blieb es aber nach Kramers schönem Treffer beim leistungsgerechten Auswärtssieg.
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