Hannover kann gegen das Herthaner Leib- und Magen-4-4-2 auf seine vermeintliche Lieblingsformation vertrauen. Kleinigkeiten bringen dann Tore und den Heimsieg.
Bundesligafußball
Beide 4-4-2, beides Pressingmannschaften, beide im Ballbesitz ordentlich aber halt auch nicht gut oder irgendwie besonders – Herthas Markenzeichen, jeden Gegner irgendwie schlechter aussehen zu lassen, traf mit 96 auf eine größere Herausforderung, schließlich ist das letztlich auch Hannovers Ansatz. Die klaren Zuordnungen für beide Mannschaften in allen Spielphasen waren dann wie immer auch die Voraussetzung für relativ viele lange Bälle und rückten Abpraller, Zweikämpfe und Konteransätze ins prominente Licht. Da beide Mannschaften recht hoch ins Pressing gingen, konnten beide Teams ihre Qualitäten im Ball-Halten im Spielaufbau nicht so recht zeigen. Aber neben den Zufälligkeiten und natürlich noch mehr der Bedeutung von individuellen Aktionen (wie schnell kommt der Sechser nach dem Abpraller in die Aktion, wie schnell rückt der Außenverteidiger auf und überläuft seinen Gegenspieler, gelingt das Herausrücken der Innenverteidiger, etc.) waren es dann Unterschiede im Detail, die dieses gruppentaktisch nicht besonders interessante, aber recht ansehnliche Spiel prägten: Tschauners fußballerische Schwäche war für Hannover gewissermaßen ein Vorteil, weil Hannover auf das Berliner Aufrücken im Pressing meistens nicht mit dem Rückpass auf den Torwart reagierte, sondern die Außenverteidiger oder Schwegler den Ball den Flügel entlang nach vorne spielten. Damit setzte sich Hannover einerseits etwas weiter vorne fest, weil die Pässe kürzer und besser zu kontrollieren waren, als die langen Bälle der Herthaner, und hatte andererseits in der kompakteren eigenen Formation minimal besseren Zugriff auf den zweiten Ball. Die Gäste spielten als Reaktion auf das 96-Aufrücken im Pressing dagegen nämlich meistens den Ball zu Jarstein, dem dann aber ja auch keine andere Möglichkeit als der lange Ball bleiben würde – diese Pässe sind länger in der Luft, kommen ungenauer und sind schwieriger zu verarbeiten, während die eigene Formation in solchen Szenen stärker gestreckt ist.
Der tiefere Sechser der Hertha, meistens Skjelbred, war darüber hinaus im Aufbau etwas weniger dominant und tief als Schwegler bei 96. Analog dazu rückte Bakalorz im Pressing weiter und aggressiver auf seinen Gegenspieler auf als Darida, wenn Hertha den 96-Aufbau störte, auch weil sich Schwegler eben weiter zurückfallen ließ. Hannover war dadurch im Pressing etwas griffiger als Hertha und wirkte im Ballbesitz etwas zielstrebiger, ohne dass sich das in konkreten Abschlusssituationen bestätigen lassen würde. Eher im Gegenteil: Nach der Führung für 96 zog sich Hannover immer mal wieder etwas zurück und störte nicht so energisch – damit wirkte das 96-Spiel natürlich noch etwas kontrollierter. Hertha traute sich dann auch riskantere Flachpässe aus der Abwehr durch die Halbräume nach vorne zu, entweder auf einen zurückfallenden Stürmer (siehe 3:0) oder auf den einrückenden Flügelspieler Leckie (wie auch Hannover selten auf Karaman spielte, auch hier also eine Parallele). Auch da gab es dann gewisse kleine Unterschiede im Verteidigen, am wichtigsten war aber das Verhalten der Innenverteidiger bei solchen Anspielen an die letzte Linie: Die Herthaner Rekik und Lustenberger waren im Timing ein gutes Stück schlechter als Sané und Hübers (exemplarisch seine Balleroberung vor dem 3:0) und hatten weniger Balleroberungen zu verzeichnen, auch, weil sich Harnik und Füllkrug mehr und besser bewegten als Kalou oder Lazaro und Selke (der sehr statisch war).
Wenn Hannover aber nicht hoch presste, zeigte sich ein weiteres Problem, das wiederum auch beide Mannschaften hatten: Nach Anspielen auf den Flügel und wenn das Mittelfeld überspielt wurde (egal ob im Konter oder aus dem Aufbau heraus), machten beide Teams zu wenig Druck auf den Ball nach außen und fielen kollektiv zurück an den eigenen Strafraum. Beide hatten aus dem Spiel heraus deswegen ihre besten Szenen, wenn der Gegner passiver presste und sie sich einen Flügel freispielen konnten. Hertha nutzte zwei so entstandene gute Chancen nicht, Hannover nutzte drei von vielleicht vier guten Chancen schon. Die kleinen Unterschiede, die insgesamt eher zu Gunsten Hannovers ausfielen und nicht unbedingt geplanter, gruppentaktischer Natur waren, sondern die langfristigen Auswirkungen allgemeiner Spielprinzipien auf das Verhalten der Einzelspieler, Tagesform, Zufall, Konzentration/Griffigkeit oder ähnliche Aspekte, machten aus 96 die bessere von zwei ordentlichen Mannschaften in einem ganz normalen Bundesligaspiel. Dabei hatte das Spiel für Hertha so gut angefangen: Stark musste aus der Startelf raus, Lustenberger spielte also nicht nur nicht als Sechser, sondern wurde dafür auch noch durch Skjelbred ersetzt. Dann hatte Hertha auch noch die erste gute Chance nach wenigen Sekunden. Aber Bundesligafußball eben.
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