Neun Punkte sammelte 96 in den ersten elf Saisonspielen, das ist eigentlich nur ein Sieg von einem Klassenerhalts-Schnitt weg. Aber trotzdem war die Stimmung zumindest bis zum Sieg gegen Wolfsburg nicht nur nicht gut, sondern meistens schlecht. Wie angemessen ist das?
Ist 96 schlechter als letzte Saison?
Wir haben uns Zahlen angeschaut, wir stehen statistisch teilweise sogar besser da als letzte Saison. So ungefähr hat irgendjemand aus der sportlichen Leitung bei 96 die Lage vor ein paar Wochen zusammengefasst – und damit das vielgenutzte Erklärungsmuster des fehlenden Glücks sowie der Benachteiligung durch die Schiedsrichter, ominöse Kölner Kellergeschöpfe und das Universum argumentativ unterfüttern wollen.
Im Fußball kann man sich viele Zahlen angucken, irgendwas findet sich immer. Und es stimmt insofern auch: Teilweise steht 96 besser da als letzte Saison. So gibt Hannover momentan etwas mehr als 13 Schüsse in Richtung Tor ab, das ist minimal mehr als in den beiden vorangegangenen Erstliga-Halbjahren. Tatsächlich auf das gegnerische Gehäuse gingen bisher auch etwa gleich viele dieser Versuche wie in der Rückrunde, was bereits etwas mehr waren als in der ergebnistechnisch ja sehr guten Hinrunde zuvor. Und den Gegner hindert 96 auch effektiver daran, zum Abschluss zu kommen als im ersten Halbjahr nach dem Aufstieg. In dieser Saison gestattet 96 seinen Gegnern durchschnittlich 14,6 Schüsse pro Spiel, das ist nur ein halber mehr als in der letzten Rückrunde. Insofern stimmt es: 96 ist nicht schlechter, wenn man unbedingt möchte sogar etwas besser als in der Vergangenheit. All diese Werte liegen im Vergleich mit der Konkurrenz im (unteren) Tabellenmittelfeld.
Das lädt schon dazu ein, die Schiedsrichter oder eine notorisch zu den eigenen Ungunsten ausfallende Willkürlichkeit zu verfluchen. Aber gleichzeitig setzen diese Zahlen auch ein Fragezeichen hinter den zweiten populären Erklärungsansatz für das maue Abschneiden: den Verlust von individueller Qualität durch die Abgänge von Sané, Klaus und Harnik. Wenn die grundsätzliche offensive Produktivität nicht groß von der letztjährigen abweicht und die Defensive auch gar nicht mehr Schüsse zulässt, scheint die hinterlassene Lücke ja nicht ungefüllt geblieben zu sein.
Nur gibt es eben noch andere Zahlen, die man sich anschauen kann. Die erzählen eine etwas andere Geschichte. Quantitativ mag sich an beiden Enden des Platzes nicht viel verändert haben, doch die Qualität der Torchancen entwickelt sich für 96 sehr ungünstig. Die Breitenreiter-Elf kommt zwar zuverlässig zum Abschluss, die Trefferwahrscheinlichkeit fällt bei den meisten Versuchen aber sehr bescheiden aus. Analog dazu lässt 96 nicht mehr, aber bessere gegnerische Chancen zu.
Eine Erkenntnis, die tatsächlich Anlass für mittelgroße Sorgen gibt, liegt in der Langfristigkeit dieses Trends: Im Prinzip gab es seit dem Wiederaufstieg nur zwei Phasen, in denen 96 nicht systematisch von seinen Gegnern in Sachen Chancenqualität überragt wurde – am Anfang der ersten Saison nach dem Aufstieg und zu Beginn der Rückrunde.
Damit würde man vielleicht der Fraktion neue Munition liefern, die einen Qualitätsverlust in der Transferphase für ursächlich hält. Schließlich ist es auch keine gewagte Theorie, dass es einen Unterschied gibt zwischen Martin Harnik und Bobby Wood oder zwischen Salif Sané und Kevin Wimmer. Aber auch das greift zu kurz, da Martin Harnik auf der einen Seite (zu Unrecht) als Chancentod verschrien war und auf der anderen Seite die Verteidiger nicht unbedingt einen übergroßen Einfluss auf die Qualität der gegnerischen Chancen haben müssen.
Woran liegt’s also (auch/ vielleicht/ ein bisschen)?
Aus taktischer Sicht erinnert die Entwicklung dieser Saison ein wenig an die letzte, als Hannover ja ein erstaunlicher Start gelungen war. In beiden Fällen ging es ab dem zweiten Spiel mit einer recht starken Abweichung gegenüber dem weiter, was 96 sowohl in der Vorbereitung als auch im Auftaktspiel gezeigt hatte. Gegen Bremen spielte Hannover das, was man an Hand der Testspiele erwarten durfte, weil es das deutlich dominante Muster gewesen war: tiefes 4-4-2, Kontern, eher lange Bälle. Danach ging es gewissermaßen zurück zu den Ideen der letzten Saison, namentlich immer häufiger einem Fünferkettensystem und immer öfter einem hohen Pressing mit mindestens Mannorientierungen, eher noch Manndeckungen. In der Vorbereitung hatte man das praktisch gar nicht mehr gesehen.
Insofern ist die rasche Abkehr vom (ohnehin nur unterstellten) Ausgangsplan nach dem Bremen-Spiel kein krasser Stilwechsel und taugt eher nicht als Anlass zur vernichtenden Generalkritik am Trainerstab. Aber trotzdem ist es zumindest ein Punkt, den man hinterfragen kann. Umso mehr gilt das, als der neutrale Blick auf den Kader eigentlich ein klares Plädoyer für den Scheißfußball (also 4-4-2 tief, lange Bälle und Konter) abgegeben hat. Denn wenn es auch bekanntlich schwierig genug ist, allgemeingültige Aussagen über Fußball und insbesondere seine Spielweisen zu treffen, so ist es doch zumindest einleuchtend, dass in dieser absolut von den Spielern abhängigen Sportart nicht einfach das Personal getauscht werden kann, ohne etwas am System ändern zu müssen.
Mit den Neuzugängen lassen sich zwar viele Kompetenzen weiterhin abdecken, die zuvor zum Beispiel von Sané, Harnik oder Klaus eingebracht wurden – Wimmer und Walace sind auch sehr kopfballstark und körperlich präsent, Bobby Wood ist ein guter Konterstürmer und in bestimmten Aspekten gut im Pressing. Aber Wimmer geht zum Beispiel die flache, vertikale Spieleröffnung von Sané ab, und Wood fehlt ebenso wie Takumo Asano die vorausschauende und im Zusammenspiel mit den Mitspielern effektive Art von Harnik (man könnte auch sagen: das Spielverständnis). Und Genki Haraguchi ist zwar schnell und ein guter Dribbler, sodass er gerade den Flügel-Klaus nicht nur ersetzen, sondern eigentlich auch übertreffen könnte, während Asano eine interessante Option für Klaus‘ damalige Rolle als Nachrück-Zehner hinter zwei Stürmern wäre; aber es wäre alles eben nur ein punktueller Ersatz, der zwangsläufig Abstriche an anderer Stelle mit sich bringt.
In der Summe schien das schon damals zu viel, um möglichst wenig an der Ausrichtung zu ändern und eine ungefähr gleichbleibende Ausbeute zu erwarten, und zumindest meine Einschätzung vor der Saison war relativ klar: Mit diesem Kader kann man sehr gut einen Fußball spielen, in dem es defensiv um Kompaktheit und Körperlichkeit und offensiv um Quantität geht, es also nicht so schlimm ist, wenn Wood und Asano jeder zweite Ball verspringt und Wimmer schon ein gutes Spiel gemacht hat, wenn er ein paar lange Bälle nach vorne zu Füllkrug anbringen konnte und sich ansonsten auf Zweikämpfe konzentriert. Wie jede andere der fast unbegrenzt vorhandenen Spielweisen kann auch Drecksfußball gut umgesetzt und mit passenden Spielern für genug Punkte sorgen, um nicht abzusteigen.
96 hat zu viel Ballbesitz
Es ist total gut, wenn eine Mannschaft den Ball haben will, konstruktiv nach Lösungen im Angriffsspiel sucht und den Gegner dominieren möchte. Wer selber den Ball hat, kann kein Gegentor kriegen, außerdem gibt es schon genug Mannschaften auf der Welt, die eher nicht den Ball haben wollen. Es ist aber nicht so gut, wenn eine Mannschaft ständig im Ballbesitz ist, die eigentlich andere Stärken hat, sei es aus taktischen oder aus personellen Gründen. Und auf 96 trifft gewissermaßen beides zu. 96 hat in vielen Spielen zu viel Ballbesitz, zu viel für die Art von Mannschaft, die Hannover „von Natur aus“ eigentlich ist (eine körperlich präsente, im Zweikampf sehr unangenehme, mitunter auch harte Mannschaft, die Tempo in die Tiefe bringt) und dann auch noch zu viel für die Art von Mannschaft, gegen die 96 meistens spielt: eine bessere.
Einer der Gründe für die Rückkehr zur Fünferkette liegt laut Aussage Breitenreiters darin, dass sich die Mannschaft mit drei Spielern im Zentrum wohler fühle. Im Spielaufbau ist das naheliegend, da Hannover auch schon letzte Saison überwiegend aus einer 3-1-Struktur heraus das Spiel eröffnet hat und insofern darin eine gewisse Sicherheit erreicht. Insbesondere in der Rückrunde wurde Hannover dafür zum Teil zu Recht, zum Teil übermäßig gelobt. Da bestand das Sechser-Duo aber auch meistens noch aus Schwegler und Fossum, also zwei Spielern, die nicht gleich sind, aber in beiden Rollen, zentral in der Aufbaureihe oder als einziger Spieler im Sechserraum, ohne übermäßigen Qualitätsabfall ausgetauscht werden können. Jetzt ist einer der beiden Sechser der Ex-Hamburger Walace, dessen körperliche Präsenz und Reichweite im Zweikampf gelobt wird, der aber von Christian Titz beim Ballbesitz-HSV von der Sechs weggenommen wurde. Baute er gegen Werder noch zwischen den beiden Innenverteidigern auf (also ähnlich, wie ihn auch Titz noch einzubauen versuchte), spielte er danach fast immer in der höheren Rolle im Sechserraum, sei es neben oder vor Schwegler.
Und es ist eben ein recht großer Unterschied, ob man einen Pass in die vermutlich am besten bewachte Mittelfeldzone auf Schwegler spielt, der trotz ein paar schwächerer Auftritte immer das Spiel schnell machen und mit einem Kontakt aus engen Räumen nach vorne spielen kann – oder auf Walace, der schon in offenen Räumen regelmäßig einen Ballkontakt zu viel braucht, sehr oft den einfachen Pass spielt und das Spiel insgesamt eher verschleppt. Statt der 3-1-Staffelung steht 96 außerdem immer öfter in einem 3-2 zum Aufbauen, in dem die beiden Sechser am liebsten das Spiel vor sich haben. 96 sucht bisher zu oft noch ein gesundes Verhältnis aus Präsenz außerhalb und innerhalb der gegnerischen Pressingformation und muss deshalb oft den Weg über die Außenbahnen suchen. Da gibt es bei den Fünferkettensystemen ja nur eine einfache Besetzung, einer der Stürmer muss sich also in der Regel nach außen hin bewegen.
Zwar zeigte 96 gerade zu Saisonbeginn in Fortsetzung zur letzten Rückrunde in solchen Situationen teilweise sehr gut getimte Bewegungen nach außen und hinter den gegnerischen Außenverteidiger. Damit kommt man aber nur in die Tiefe, nicht unbedingt auch vor das Tor. 96 spielt deshalb nicht nur etwas weniger Pässe im Angriffsdrittel, sondern gemessen daran auch etwas mehr Flanken, und Flanken sorgen meistens nicht für hochwertige Torchancen – dass Bobby Wood gegen (anders als behauptet relativ offensiv/ aktiv ausgerichtete) Stuttgarter dann mal zwei Flanken einköpft, ist eben die Ausnahme.
Zweite Chance für zweite Bälle
Eigentlich wäre die Reduktion auf den Scheißfußball offensiv auch gar kein so großer Paradigmenwechsel, weil eines der verlässlichsten und stabilsten Angriffsmittel der letzten Saison das direkte Spiel in die Spitze und das Attackieren der zweiten Bälle war. Hannover ist eigentlich zu jeder Zeit in der Lage, ein physisches, schwungvolles Spiel in die Tiefe aufzuziehen und den Gegner zurückzudrängen. Das funktionierte schon letzte Saison nicht nur in den Schlussphasen zum Aufholen eines Rückstands gut, sondern prinzipiell auch vorher. Mit Walace hätte man in dieser Saison neben Schwegler auch einen zweiten Spieler, dem diese Spielweise entgegen kommt, und insofern eine sinnvolle Ergänzung bzw. einen qualitativen Fortschritt gegenüber Fossum gehabt – die sporadischen Ausflüge von Anton auf die Sechs hatten ja schon immer angedeutet, dass Breitenreiter mehr Präsenz und Drang in die Tiefe aus dem Mittelfeld sucht.
Bisher scheitert das Zweite-Ball-Spiel aber eher daran, dass die nominellen Klaus- und Harnik-Ersatzleute entweder noch nicht richtig in der Mannschaft angekommen scheinen, oder sie im Detail dann doch noch nicht gut genug eingebunden waren, um Hannover Tempo in die Tiefe zu verschaffen (vor allem Asano). Wenn mit Füllkrug der Zielspieler ausfällt, bricht natürlich eine zentrale Figur für diese Spielweise weg, da Weydant als ohnehin unverhoffter Kaderspieler zwar eine beeindruckende körperliche Präsenz und sehr gute Laufwege vor dem Tor zeigt, sich aber in das Spiel mit Ablagen und Verlängerungen noch nicht richtig einfinden konnte.
Das ist allerdings eher Meckern auf hohem Niveau, weil die Raumbesetzung um den Zielspieler herum ja oft genug gut funktioniert, die Vorgaben des Trainerteams also mutmaßlich gut umgesetzt werden. Dass Hannover damit bisher etwas weniger erfolgreich ist, liegt dann eher an Details wie dem Verhalten von Wood und Bebou, die beide für dieses Angriffsspiel nicht unbedingt ideal geeignet sind, oder dem grundsätzlicheren Problem, dass 96 nicht mehr so oft gegen einen hochstehenden und ausgedünnten Gegner angreifen kann. Wenn doch, wird Hannover auch offensiv mit seinem Spiel auf zweite Bälle und Tiefe gefährlich.
Auch hier spielen also personelle Faktoren in die taktische Entwicklung hinein, was exemplarisch an Ihlas Bebou deutlich wird. Als Linton Maina verletzt fehlte, wurde Bebou gewissermaßen in ungünstigere Rollen, wie die des Flügelverteidigers im 5-2-3, gedrängt. Darunter litt das ganze 96-Spiel. Seine Verletzung ist daher eine sehr schlechte Nachricht für Hannover. Mit ihm fehlt der wahrscheinlich einzige richtige Unterschiedsspieler, der als einrückender Flügelspieler oder Halbstürmer aus dem Halbraum oder als Achter/ Zehner durch das Zentrum fast im Alleingang für Gefahr sorgte.
Das Quasi-Kernproblem im Pressing
96 hat zu viel Ballbesitz, nicht nur oder nicht einmal in erster Linie weil Hannover zu wenig damit anzufangen wüsste, sondern weil Hannover deshalb zu selten nicht den Ball hat. Sowohl in der Trainingsarbeit, als auch im Spiel konkurriert das Spiel mit dem Ball eben mit der Aussicht auf Balleroberungen (stimmt nicht wirklich, aber ungefähr genug). Die Balleroberungsqualitäten von Walace, der sehr explosiv und hart gegen einen Gegenspieler herausrücken kann und anschließend selber in den Angriff durchläuft, das Tempo von Asano oder die Laufwege von Wood im Konter können seltener zu sehen sein, wenn 96 seltener gegen den Ball spielt.
Wenn Hannover es aber doch tut, hatte die Breitenreiter-Elf bisher manchmal Probleme mit der vertikalen Kompaktheit, die immer dann relevant wurden, wenn der Gegner die erste Pressinglinie überspielen konnte. Das Erfolgsrezept der letzten Saison, die taktische Anpassungsfähigkeit in Gestalt unterschiedlicher Pressingformationen, kommt bisher nicht richtig zur Geltung. 96 setzt nicht mehr konsequent auf Manndeckung, sondern stellt meistens vorne zu, dahinter aber nicht mehr. Das ist vermutlich Absicht, worin genau die Überlegung steckt, ist aber nicht ohne Weiteres zu beantworten. Vor allem in den Fünferkettensystemen fallen in der Folge die jetzt schon mehrmals angesprochenen personellen Unterschiede ins Gewicht. Denn defensiv ist die Dreierkette im Zentrum nicht unbedingt naheliegend (nicht umsonst wurde ja angeblich bis zum Schluss noch ein weiterer Innenverteidiger gesucht).
Natürlich recht großer (wenn auch inhaltlich begründbarer) Quatsch, dass der reine Linksfuß IV und der rechtsdominant Beidfüßige linker HV spielt (wenn die rechte Seite gefährlicher ist) und dass Fossum eine Rolle spielt, die Tiefenläufe fordert. #SGEH96
— Niemals Allein (@niemalsalleinDE) 30. September 2018
Es sind nur jeweils kleine, eher weiche Faktoren, aber sie summieren sich: Anton ist mit all seinen Stärken ein sehr guter Zentralverteidiger in der Dreierkette, fehlt dann aber gerade für den Spielaufbau als Halbverteidiger; Wimmer kann schon Halbverteidiger spielen, zumal als Linksfuß, hat aber immer wieder Timing-Probleme beim Herausrücken; Elez hat wie erwartet Zeit gebraucht und ist mittlerweile wesentlich stabiler, wird aber in Sachen Robustheit und Dynamik wohl nicht über unterdurchschnittliches Bundesliganiveau hinauskommen – man „muss“ ihn aber aufstellen, weil er gegenüber Wimmer (wie schon angedeutet) klare Vorteile im Aufbau mit flachen Steilpässen auf die Stürmer mitbringt, was für das zweite-Ball-Spiel wichtig ist; und Felipe ist zwar trotz fortschreitender Hüftsteifheit immer noch super, aber eben meistens auch gar nicht erst dabei. Wenn 96 dann überspielt wird, weil die Formation eben nicht genau zum Gegner passt, treten solche kleineren Defizite etwas mehr zum Vorschein.
In den Auswärtsspielen lag das Problem zudem im reinen Mangel an Angriffspressing begründet. Meistens spielte Hannover in der Fremde im Mittelfeldpressing, das auch gegenüber der letzten Hinrunde mit besserer Intensität aufwartete, aber gerade als Fünferkettenformation im Mittelfeld leichter zu überspielen war. Gerade das 5-2-3 wurde mit zu wenigen Rhythmuswechseln, also zu seltenem Aufrücken nach vorne interpretiert (weil zum Beispiel, wie schon in der Vorbereitung, die eigenen Stürmer eher zum Doppeln des gegnerischen Sechsers abgestellt waren, anstatt den Rückpassweg zu attackieren). Der Gegner konnte sich um die beiden Sechser herum nach vorne spielen und 96 hinten binden. In solchen Szenen reichen dann nicht unbedingt systematische, punktuelle Fehler (Stellungsspiel von Wimmer z.B.) für Gegentore. Dazu zählen natürlich auch individuelle Fehler wie etwa von Anton gegen Augsburg oder Nürnberg, die aber zu einem Formkrise-Narrativ versponnen wurden, das mit der Realität angesichts seiner weiterhin weit überwiegend wichtigen Aktionen und überragenden Spielen wie etwa gegen Hoffenheim, also mitten in der unterstellen Formkrise, nicht viel zu tun hat.
Eine vielschichtige Leistungsdelle innerhalb eines größeren Trends
Es ist wie immer kompliziert und allgemeine, zusammenfassende Erklärungen zu finden ist zum Scheitern verurteilt. Teilweise sind hier Detail-Probleme ausführlicher dargestellt, als es ihre praktische Relevanz vermutlich rechtfertigen würde. Manchmal hatte 96 auch tatsächlich Pech, aber nicht etwa mit Schiedsrichtern, sondern eher mit der Mischung aus konkretem taktischem Problem im Spiel und den Stärken des jeweiligen Gegners oder seinen Umstellungen (Leipzig, Hoffenheim, Augsburg punktuell, Leverkusen von den Spielertypen her). In manchen Partien hatte Hannover auch gute Ansätze und war zwischenzeitlich gut ins Spiel.
Insgesamt ist 96 aber in einer etwas wackligen Phase, weil das Pressing nicht mehr konsequent nach vorne angelegt ist, aber auch noch nicht den Umschwung zum tiefen Verteidigen genommen hat. Vereinfacht gesagt ist es noch nicht gelungen, die Voraussetzungen (also die Spielertypen) mit möglichst geringen Reibungsverlusten in einem stimmigen System zu harmonisieren, was natürlich auch eine Rückwirkung auf die Leistungen der Neuzugänge mit sich bringt. Sowohl gegen Schalke als auch gegen Wolfsburg haben sich schon verschiedene Auswege angedeutet. Eine allgemeine Lösung könnte lauten: Mehr Scheißfußball wagen.
[…] Das kann man noch lesen. […]
[…] seinen ersten Spielen als 96-Trainer hatte Doll, nicht unähnlich zu seinem Vorgänger, durch taktische und formative Anpassungen versucht, das Niveau seiner Mannschaft zu stabilisieren. […]