Beim letzten Freitagabendspiel zwischen Schalke und Hannover fielen neun Tore, und ein Fallrückzieher von Mame Diouf aus knapp 20 Metern sorgte für Aufsehen. Aktuell haben beide Mannschaften allerdings nichts zu bieten, was auf eine ähnlich unterhaltsame Partie hindeuten würde. Gegen die unter dem ehemaligen 96-Spieler André Breitenreiter erwartungsgemäß biederen Paderborner Gelsenkirchener kann 96 nur teilweise an seine in den letzten Wochen gezeigten Stabilisierungsansätze anknüpfen, sodass am Ende ein leistungsgerechter Heimsieg steht.
- Wenig aufregende Aufbauversuche und folglich wenig aufregende Angriffsversuche dominieren die Anfangsphase, wobei 96 verhältnismäßig produktiv beginnt und einige gute Ansätze zeigt, die Schalker aber vom 96-Pressing, das mit ordentlichem Zugriff aufwartet, ausgebremst werden.
- 96 wird im Pressing wieder passiver und steht tiefer, sodass Schalke mehr Zeit und Platz für die Flügelangriffe vorfindet und damit gegen zurückweichende Hannoveraner die Spielkontrolle gewinnt. Einzelaktionen beim Kontern von Choupo-Moting, Meyer und Sané, der sich die Bälle teilweise auch im Rückwärtspressing selber erobert, sowie die schlechte 96-Strafraumverteidigung sorgen dann für einige Abschlüsse.
- In der zweiten Halbzeit versucht sich 96 wieder ins Spiel zu arbeiten, gerät aber in Rückstand und verliert nach den Wechseln den Zugriff gegen den Ball. Ein paar Einzelaktionen von Saint-Maximin bringen 96 in Tornähe, doch die Hoffnung nach dem Anschlusstreffer währt nur kurz, sodass es nach überwiegend enttäuschender Vorstellung mit leeren Händen nach Hause geht.
Ordentlicher Pressingbeginn gegen unverbundene und behäbige Aufbaubemühungen
96 presste zu Beginn des Spiels kollektiv ein paar Meter höher als in den letzten, stabilen Begegnungen und setzte den ohnehin eher wenig elaborierten Schalker Spielaufbau meistens schon in der ersten Phase unter Druck. Aus der 4-4-1-1-Ordnung ergaben sich situationsabhängig 4-4-2-Strukturen mit Gülselam neben Sobiech oder 4-3-1-2-Staffelungen mit einem mannorientiert auf den zentral abkippenden Geis aufrückenden Schmiedebach. Ohnehin war es wohl der 96-Plan, den wenig kreativen, aber sehr weiträumigen Ballverteiler der Schalker möglichst aus dem Spiel zu nehmen. Eine der beiden Hannoveraner Pressingspitzen stellte Geis zu, während der jeweils andere Stürmer den ballführenden S04-Innenverteidiger wohl nach außen wegleiten und zum Aufrücken verleiten sollte. Zu Beginn funktionierte dies auch nicht schlecht, da Geis entweder von Gülselam oder Schmiedebach zugestellt wurde und abgesehen von einzelnen überraschenden Vertikalpässen von Matip folglich wenige Impulse aus der ersten Schalker Aufbaureihe und dem gleichförmigen Aufbaurhythmus ausgingen. Die Außenverteidiger der Königsblauen rückten relativ weit auf, die beiden Flügelstürmer positionierten sich eher in den Halbräumen und versuchten mit dem oft auf den rechten Flügel ausweichenden Meyer über ein paar kurze Rochaden und Rückfallbewegungen für neue Passwege in die Tiefe zu sorgen. Insgesamt blieb das Zentrum aber für Königsblau nur schwer zu bespielen, wenn sich nicht Choupo-Moting mit starken Dribblings nach einem zweiten Ball auf dem linken Flügel lösen und den strategisch sehr starken Goretzka oder Meyer erreichen konnte. Auch über die rechte Seite kam die Breitenreiter-Elf über Ansätze nicht hinaus, wenn Riether etwas tiefer angebunden blieb und mit der herüberschiebenden Aufbaureihe sowie dem sich kurz anbietenden Meyer etwas Raum hinter Albornoz für schnelle Läufe von Sané eröffnen konnte. Bei Pässen auf die Flügel waren die Rückfallbewegungen der Flügelstürmer und das eigentlich gute Nachstoßen von Goretzka aber nicht immer gut genug abgestimmt, sodass die Schalker Flügelspieler regelmäßig an der Außenlinie isoliert waren und wegen der flachen Angriffsstaffelung nur über Flanken vor das Tor kamen. Bei schnellen Kontern erzeugten Einzelaktionen von Meyer, Choupo-Moting und Sané Gefahr, vor allem wenn letzterer über rechts in den Strafraum eindringen konnte und Meyer im Rückraum fand. Mehr als Halbchancen sprangen für S04 aber zunächst nicht heraus.
Doch spätestens mit der verletzungsbedingten Auswechslung Artur Sobiechs, für den mit Charlison Benschop ein sehr viel simplerer und im Mitspielen kaum präsenter Stürmer gebracht wurde, gewann Schalke mehr und mehr die Kontrolle und wurde gefährlicher. 96 zog sich insgesamt immer weiter zurück und gestattete den Schalker Aufbauspielern mehr Zeit und Raum. Schmiedebach stieß nicht mehr aus der Formation heraus, und Geis konnte recht unbehelligt seine langen Bälle anbringen und 96 so noch weiter zurückdrängen. Nach den Anspielen auf die Flügel konnte Schalke die zurückfallende 96-Mannschaft tief in der eigenen Hälfte halten und mit den aufrückenden Sechsern oder dem etwas aktiveren Höwedes die Spielkontrolle aufrecht halten. Ceyhun Gülselam fiel oft als zusätzlicher Zentralspieler in das Mittelfeld vor den Strafraum zurück, und sorgte zusammen mit der weiterhin etwas zu flachen Raumbesetzung im Angriffsdrittel der Schalker dafür, dass abgesehen von zwei gefährlichen Situationen im Strafraum nicht viel mehr als Halbchancen oder Distanzschüsse für die Gastgeber heraussprang.
Im Ballbesitz hatte 96 zunächst auch um konstruktive Spielauslösung zumindest bemüht begonnen, indem Manuel Schmiedebach weit auf den linken Flügel schob und zusammen mit Albornoz und Karaman für einzelne gute Momente sorgen konnte, die auch von Gülselams und Sobiechs Ballhalten ergänzt wurden und einen Seitenwechsel vorbereiten konnten. Die Schalker begegneten diesen Bemühungen dann mit einfachem Zustellen der beiden Innenverteidiger und einem etwas zurückhaltenden Mittelfeld. Bei den eher pomadigen Freilaufbewegungen des 96-Mittelfelds genügte dies, um 96 wieder zu vielen langen Bällen auf den aufschiebenden Sané und Sobiech/Benschop, Gülselam und Andreasen zu bringen. Wenn der zweite Ball nicht gesichert werden konnte, waren vor allem die starken Lösungen von Choupo-Moting und Meyer in den engen Szenen auf dem linken Flügel gefährlich, da sie die Konter der Gelsenkirchener über Goretzka und den kurz zurückfallenden Huntelaar gut einleiten konnten und Sanés zockendes Verhalten auf der rechten Seite gut zum Tragen hätten bringen können – doch in einigen Situationen entschieden sich die Schalker gegen die einfache Lösung, gegen den Pass auf Sané hinter die Abwehr, und verspielten damit einige vielversprechende Umschaltsituationen. Eine gute Chance ergab sich auf diese Weise vor dem Halbzeitpfiff aber noch, doch Sané scheiterte nach einem Einwurf und dem schnellen Gegenangriff an Zieler.
Plötzlich fallen Tore
96 passte nach dem Wiederanpfiff seine Aufbaustruktur leicht an. Salif Sané kippte jetzt zwischen die beiden Innenverteidiger ab, bzw. ließ sich nun zentral etwas stärker zurückfallen, um in der ersten Linie eine Überzahl gegen das Schalker 4-4-2 herzustellen. Die Gastgeber pressten ihrerseits allerdings auch etwas höher, und erzeugten mit nun recht klaren Mannorientierungen und mehr Aktivität hinter dem ersten Pressingband genug Zugriff, um die gewohnt unrunden Aufbauansätze Hannovers abzuwürgen. Goretzka kümmerte sich um Sané, Geis etwas loser um Schmiedebach, und schon kam 96 auch in der zweiten Halbzeit nicht merklich vorwärts. Schalke drückte die Frontzeck-Elf auf die Flügel, erzwang den langen Ball oder ging auf den Ballgewinn, um die Geschwindigkeit der Flügelstürmer auszuspielen.
Wie bereits in der Anfangsphase der Begegnung bemühte sich 96 wieder um mehr Zugriff im Pressing und lief wieder höher an, war aber in der ersten Linie mit Benschop schlecht abgestimmt und dahinter teilweise nicht besonders kompakt. Wenige Minuten nach dem Wiederanpfiff rächte sich das, als Schalke mit einem der schon in der ersten Halbzeit gesehenen Angriffsmuster über die rechte Seite in den Strafraum kam und dort einen Elfmeter herausholen konnte: Max Meyer zog Kenan Karaman mit in den rechten Halbraum und öffnete damit den Passweg auf den aufrückenden Riether, dessen Hereingabe Huntelaar sicherte, bis ihn Marcelo zu Fall brachte. Geis verwandelte zur Führung.
Nach dem Rückstand zeigte 96 im Spielaufbau verschiedene Rückfallbewegungen, die größtenteils schon aus den ersten Saisonspielen bekannt waren, um sich gegen nun wieder etwas zurückhaltendere Schalker in den Angriff zu spielen. Leon Andreasen fiel im Halbraum vereinzelt ballorientiert zurück und balancierte Sorgs Aufrücken, Manuel Schmiedebach kippte seitlich heraus und versuchte zu verbinden. Dazu kam dann auch noch ein zentrales Zurückfallen von Ceyhun Gülselam, der den Raum für die jetzt häufiger zu sehenden Vorstöße von Salif Sané öffnete, der vor allem über die linke Seite Tiefe zu geben versuchte. Kenan Karaman rückte zusätzlich dazu etwas vom rechten Flügel in Richtung des Zentrums ein, was sich bei langen und zweiten Bällen in ein, zwei Szenen ganz gut auswirkte und im Ansatz etwas mehr Offensivpräsenz einbrachte. So kam 96 zwar zu etwas mehr Aktionen in der gegnerischen Hälfte, war aber insgesamt dennoch nicht gut genug verbunden, sodass sich eher über lange Seitenwechsel von Gülselam mehr Ballbesitz ansammelte. Nach der Auswechslung von Manuel Schmiedebach zugunsten von Allan Saint-Maximin wurde umgestellt. Aber nicht Leon Andreasen rückte auf die Sechs, sondern blieb auf dem rechten Flügel. Ceyhun Gülselam rückte an Schmiedebachs Stelle neben Sané und Saint-Maximin fügte sich als Stürmer mit zwei Ballverlusten innerhalb weniger Sekunden in das Spiel ein. Mit zunehmender Spielzeit nahm der junge Franzose wieder seine auch schon bekannte sehr breite Position auf dem linkem Flügel ein und nutzte diese Stellung vor allem zum konsequenten und kontextignoranten Losdribbeln. Dadurch wurde zwar immerhin im Ansatz der ballferne Flügel geöffnet, aber nicht bespielt. Stattdessen bereitete die jetzt sehr hohe Position von Leon Andreasen auf der rechten Seite ein paar Probleme im defensiven Umschalten. In der Folge wurde 96 aber im Pressing nicht nur wieder zurückhaltender und tiefer, sondern verlor in der auf den ersten Blick kompakten Staffelung jeglichen Zugriff und war fast wieder so passiv wie gegen Mainz.
Schalke baute über Matip auf der halblinken Seite auf, doch wegen schlechter Kompaktheit im Halbraum musste Gülselam auf Geis herausrücken, und öffnete damit den Zwischenlinienraum für Meyer, dessen Dribbling und Choupo-Motings Laufweg Marcelo und Sorg verwirrten. Seine abgefälschte Flanke landete bei Huntelaar, der von der schlechten Abstimmung zwischen Schulz und Albornoz profitierte und zum zweiten Tor einschoss. Kurz darauf änderten drei Wechsel einiges an der Besetzung. Prib kam für Andreasen und ging auf den linken Flügel, sodass Karaman nach rechts rückte. Pribs Anwesenheit und der nun sehr weit aufrückende Albornoz drückten Saint-Maximin zunehmend in den linken Halbraum, von wo aus er zwei Mal gut einen losen Ball aufsammeln und sich gegen mehrere Gegenspieler durchsetzen konnte. Dabei wurden dann die schlechten Staffelungen der Schalker im Sechserraum und die Kompaktheitsprobleme im Zentrum offensichtlich, die auch durch die nun sehr auffällig auf den entscheidenden Konter lauernden Flügelspieler erzeugt wurden. Einmal bediente Saint-Maximin dann am linken Strafraumeck Karaman, dessen Schlenzer am Pfosten landete. Kurze Zeit später traf er selber ins Tor. Bei Schalke kamen Höjbjerg für Meyer und di Santo für Huntelaar. Gegen den Ball trat Schalke nun immer öfter in 4-5-1-haften Staffelungen an, während di Santo vor allem im Umschalten nach rechts auswich und Sané zentraler agierte. Quasi im Gegenzug nach dem Anschlusstreffer kam Schalke mal wieder nach einem Angriff über die rechte Seite und eine Flanke von Riether in den Strafraum, und di Santo drückte den abgewehrten Ball zum Endstand über die Linie.
Fazit
In einem wie erwartet wenig aufregenden, von gleichförmigen Aufbauversuchen und ähnlichen Strukturen auf beiden Seiten geprägtem Spiel zweier im Ballbesitz wenig ansehnlicher Mannschaften setzt sich am Ende die etwas aktivere und besser besetzte Mannschaft durch. 96 zeigte nach ordentlicher Anfangsphase mit genug Zugriff auf Geis und zufriedenstellender Kompaktheit im hinteren Bereich gute Ansätze, verlor aber mit der Auswechslung von Sobiech den Faden und gestattete den Schalkern die Kontrolle. 96 ließ sich vom flügellastigen Spiel der Schalker weit zurückdrängen und gestattete einige Abschlüsse, doch wirklich gefährlich wurde es meist nur in der Endphase über Leroy Sané und in der Vorbereitung über die Konterauslösung von Choupo-Moting. In der zweiten Halbzeit versuchte sich 96 anzupassen, geriet dann aber in Rückstand und hatte danach abgesehen von Einzelaktionen von Karaman und Saint-Maximin nichts mehr entgegenzusetzen.
Spieler des Spiels – Nö.
Gülselam war gegen den Ball vor allem in der zweiten Halbzeit in vielen Szenen sehr gut und überzeugte mit hoher Erfolgsquote bei langen Pässen, aber was solls. Schmiedebach war in der ersten Halbzeit für die guten Ansätze wichtig, aber offenbar nicht wichtig genug. Miiko Albornoz hatte in der Anfangsphase ganz starke Szenen, in denen sein Straßenfußballer-Stil spektakulär zum Vorschein kam, aber die Logik „viele Angriffe über rechts“ und „hatte Sané nicht im Griff“ (wer hat das denn in den letzten Wochen mal geschafft?)= „mal wieder eine ganz furchtbare Vorstellung“ wird mit Sicherheit wieder gnadenlos zuschlagen. Nicht wahnsinnig falsch, aber auch nicht wahnsinnig clever.
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