Beim Aufeinandertreffen des bisher fast sieglosen Tabellenletzten gegen den zuletzt mal stabilen, mal sehr passiven 14. gibt es überraschend viel Fußball zu sehen. Teilweise improvisierte, teilweise etwas unverständliche Entscheidungen beim Benennen der Startelf lassen sich das Spiel zunächst anders entwickeln als erwartet, führen am Ende aber eher wieder zum vermuteten. Hoffenheim schießt erst das Tor und hat dann die Chancen, sodass es für 96 erneut nichts zu holen gibt.
- Beide Mannschaften beginnen mit guten Angriffsstrategien, die 96 sogar etwas besser ausspielt, und sauberen bzw. mutigen Pressingplänen.
- 96 nutzt seine zwei, drei guten Chancen nicht, während Hoffenheim seine zweite gute verwertet. Danach rechtfertigt Hoffenheim dank Hannovers Leistungsabfall das Zwischenergebnis, und hätte noch höher gewinnen können.
- In der zweiten Halbzeit versucht 96 viel, wird aber auch durch eine wenig hilfreiche Umstellung nicht mehr gefährlich. Am Ende steht eine vielleicht vom Verlauf her unglückliche, insgesamt aber nicht ganz unverdiente Auswärtsniederlage trotz ordentlichen Spiels.
Überraschende Angriffsansätze mit Torgefahr
Die teils improvisierten, teils unverständlichen Personalentscheidungen der beiden Trainer wirkten sich nach einer überraschend ansehnlichen Anfangsphase mit vielfältigen Offensivmustern und interessanten Interaktionseffekten zwischen einzelnen Spielern im weiteren Verlauf eher negativ auf das Spiel an sich aus. Zu Beginn überzeugten beide Mannschaften etwas unerwartet mit effektiven Mechanismen im Ballbesitz, die zu Offensivpräsenz und Torchancen führten. Gegen das 4-4-2-Mittelfeldpressing der Hausherren, das um die Mittellinie herum sehr kompakt und mit relativ enger Doppelspitze gut organisiert war, versuchte sich 96 an verschiedenen Aufbaustaffelungen. Zunächst kippte Ceyhun Gülselam rechts heraus, sodass Sakai aufrücken konnte, und sich Andreasen in die letzte Linie für den langen Ball orientierte. In anderen Situationen kippte dann Salif Sané zentral zwischen die Innenverteidiger ab und Gülselam versuchte im Zentrum die Verbindungen nach vorne herzustellen. Danach stabilisierte sich dann mit dem aufrückenden Zieler und den recht breit auffächernden Innenverteidigern eine Torwartkette, die es ohne großen Gegnerdruck erlaubte, flach aufzubauen. Lange Bälle aus der ersten Aufbaureihe heraus gab es folglich für 96 untypisch selten zu sehen. Zu diesem, teils gegnerbedingten, kleinen Fortschritt im 96-Aufbau trugen auch die in dieser Phase des Spiels tief angebundenen Außenverteidiger bei, die dem Spiel im Aufbau Breite gaben und die Ballzirkulation unterstützten.
Gute Szenen hatte 96 im Ballbesitz über die linke Seite, wenn Saint-Maximin wie gewohnt aus seiner Stürmer-Position weit auf den linken Flügel auswich und sich Edgar Prib klar im Halbraum und etwas tiefer positionierte. Mit dem aus seiner tieferen Stellung aufrückenden Albornoz konnte dann die positionsorientierte Hoffenheim-Defensive in zwei, drei Szenen dynamisch ausgespielt werden. Im weiteren Verlauf konnte Maximin dann diagonal ins Feld dribbeln und 96 durch das Zentrum verlagern, oder Prib hinterlief Saint-Maximin wieder und Hannover trug die Angriffe schnell fort. Garniert mit diagonalen Läufen in die Spitze von Andreasen, der ansonsten etwas bindungslos im Zentrum umher schwamm, kam 96 auch zu zwei guten Angriffsszenen über die linke Seite mit gefährlichen Abschlüssen. Zudem hatte 96 einen Pfostentreffer nach einem Eckstoß und dem Kopfball von Gülselam zu verzeichnen. Über die rechte Seite konnte 96 vor allem dank des recht weit herüberschiebenden Strobl oft ausgebremst werden, doch auch wegen Karamans ebenfalls etwas zurückfallender Bewegungen und seines Einrückens gab es gelegentlich ordentliche Szenen durch das Zentrum zu sehen.
Auch Hoffenheim mit einer Idee – Hannover verliert ein wenig die Kontrolle
Hoffenheim hatte auf der anderen Seite im Aufbau deutlich mehr Probleme, weil 96 die Kraichgauer bereits am eigenen Strafraum zustellte. Die beiden Innenverteidiger wurden von Andreasen und Saint-Maximin blockiert, und Sané bzw. Gülselam verfolgten einen abkippenden Sechser. Trotz tiefer Einbindung von Baumann wusste sich die TSG anfangs nur über lange Schläge zu befreien, und kam abgesehen von wenigen gut aufgesammelten zweiten Bällen durch Amiri oder den einrückenden Elyounoussi zu Ansätzen von Durchschlagskraft. Doch wenn sich Hoffenheim flach lösen konnte, zeigten sie sehr vielversprechende Überladungen des rechten Halbraums. Elyounoussi konnte wegen des sehr weiten Aufrückens von Außenverteidiger Kaderabek halbrechts in die Spitze stoßen oder sich ins Zentrum orientierten, während auch Linksaußen Schmid weit mit herüber schob. Volland zeigte sich in den kleinräumigen Szenen einige Male recht geschickt im Zurückfallen, sodass in den guten Hoffenheimer Angriffsaktionen die Staffelung nicht zu flach wurde. Kam die TSG dann aber nicht wie gewünscht durch, war die ebenfalls recht offensive und hohe Ausrichtung von Strobl problematisch. Es fehlte nach dem Festhängen auf der rechten Seite damit eine Station zum Verlagern auf die freie linke Seite, und 96 konnte sich wieder rechtzeitig sortieren.
Nach einer sehr guten Chance in Folge einer flachen Eckballvariante zu Beginn kam von Hoffenheim trotz guter Ansätze zunächst wenig vor das Tor, doch sie gewannen trotzdem stückweise die Kontrolle über das Spiel. Mit einem im Aufbau zusätzlich zurückfallenden Sechser schufen sie etwas unklare Zuordnungsmomente für das 96-Mittelfeld und konnten sich entweder gegen die hoch zustellenden Hannoveraner flach befreien oder öffneten sich etwas Raum für die zweiten Bälle nach langen Befreiungsschlägen. Mit einzelnen guten Gegenpressingaktionen durch den sehr aktiven Kim oder Strobl/Schwegler konnte Hoffenheim die Gäste dann etwas ausbremsen und in der eigenen Hälfte halten. Zudem blieb bei 96 die Fortführung der eigentlich sehr guten Flügelmechanismen auf der linken Seite aus: Entweder orientierten sich Prib und Allan Saint-Maximin gleichzeitig auf den Flügel, oder Saint-Maximin reagierte nicht gut auf Pribs Einrücken und blieb selber zu passiv in seiner Ausgangsposition im Sturm. Damit wurden dann die Zuordnungen des Hoffenheimer 4-4-2 gegen das auch bei 96 wieder mehr in Richtung 4-4-2 tendierende Gebilde sehr viel klarer und es gab mehr statische Aufbauszenen. Albornoz wurde zu oft isoliert und 96 kam nicht schnell genug voran. Wenn sich 96 dann doch über die Seite nach vorne spielen konnte, war das defensive Umschalten auf der linken Seite sehr problematisch, wenn Prib im letzten Drittel in Richtung Zehnerraum rutschte, Albornoz offensiv aufrückte und Saint-Maximin irgendwo zwischen halblinker Seite und Sturmzentrum pendelte. Genau diesen Raum nutzte Hoffenheim dann nach einer halben Stunde mit einem Konter aus: Den offenen Raum hinter Prib dribbelte Elyounoussi an und verzögerte leicht, bis Volland und Schmid ins Zentrum schoben. Elyounoussi gab den Ball ins Zentrum und startete selber diagonal ein. Diesen Laufweg verfolgte Albornoz, sodass Volland freigespielt war. Marcelo stand im Strafraum sehr weit von Schmid weg, und der Franzose drückte Vollands Flanke ins lange Eck. (Im Prinzip sogar richtig von Sky in der Pause dargestellt: Kein „OHMEINGOTT ALBORNOZ MAL WIEDER“, aber in der Entstehung muss man noch einen Schritt weiter vor gehen.)
In der Folge konnte Hoffenheim 96 weiterhin den Ball überlassen, und die Roten wussten damit nicht mehr so viel anzufangen wie noch in der Anfangsphase. Leon Andreasen versuchte mehr Verbindungen ins Zentrum zu schaffen und fiel stärker in den Achterraum zurück, während Sané zentral abkippte. Hoffenheim verteidigte weiterhin sehr kompakt und überwiegend sauber organisiert, 96 fand nicht mehr genug spielerische Lösungen. Wie vor dem Spiel zu erwarten gewesen wäre dominierten dann wieder zweite Bälle und Flügelansätze die Begegnung. Hin und wieder kam Hoffenheim im Umschalten über Volland und Elyounoussi noch in den Angriff, doch große Chancen entstanden nicht. Bei 96 hatte Andreasen kurz vor dem Abpfiff noch eine gute Möglichkeit nach einer alternativlosen Albornoz-Flanke, doch ohne den Torerfolg ging es mit dem 1:0 in die Kabine. 96 hatte mehr Ballbesitz und auch mehr Pässe eingesammelt, war etwas öfter gefährlich im Strafraum aufgetaucht und agierte gegen den Ball wieder einmal recht aktiv. Doch auch Hoffenheim hatte nach anfänglichen Aufbauschwierigkeiten gute Momente im Angriff, und nutzte dann eine der wenigen guten Chancen zur nicht unbedingt leistungsgerechten, aber auch nicht vollkommen glücklichen Führung.
Kleine Anpassungen fruchten nur wenig, große Umstellungen zerstören
Zunächst ohne Wechsel ging es in die zweite Halbzeit. 96 versuchte sich weiterhin am hohen Zustellen des Hoffenheimer Aufbaus, und 96 hielt die TSG wieder ein bisschen stärker in der eigenen Hälfte. Im Ballbesitz stieß Salif Sané nun öfter in die Spitze, während Saint-Maximin stärker ballfordernd im linken Halbraum auftrat und das Spiel von dort anzuschieben versuchte. Auch ein paar kleinere Änderungen der Bewegungen von Prib und Karaman oder das jetzt offensivere Hinterlaufen von Sakai führten zu gelegentlich ordentlichen Ansätzen, das Zentrum nach zweiten Bällen oder abgebrochenen Flügelangriffen zu bespielen, aber insgesamt verteidigte Hoffenheim weiter solide und hielt 96, abgesehen von Standards, vom Tor fern. Hoffenheim zeigte in der zweiten Halbzeit allerdings einige sehr vielversprechende Konterangriffe, die sie über die Flügel anspielten und anschließend mit gut abgestimmtem Nachrücken in das Zentrum und von dort in den Strafraum bringen konnten – in zwei, drei Szenen fehlte jedoch die Klarheit im Angriffsdrittel oder der letzte Pass, sodass sich die Heimelf zwar in gefährliche Räume kontern konnte, dort aber nur zu wenigen, dafür aber hochprozentigen Torabschlüssen kam.
Nach einer Stunde wurde dann die Wechselzeit eingeläutet, indem mit Erdinç für Gülselam ein Stürmer kam, an dessen Stelle Leon Andreasen neben Sané ins zentrale Mittelfeld rückte. Gleichzeitig tauschten Prib und Karaman die Seiten, sodass 96 nun nominell mit inverser Flügelbesetzung auftrat. Vor allem Prib zeigte dann auch diagonale Aktionen von der rechten Seite aus und traf unter anderem mit einem Distanzschuss das Außennetz. Auf der linken Seite gab es ein paar schöne Einzelszenen von Karaman und Albornoz in Richtung Grundlinie zu sehen, doch grundsätzlich blieb Hoffenheim im Umschalten gefährlicher. Dabei profitierten sie auch von Karamans grundsätzlich etwas höherer Position und insgesamt größeren Räumen im Mittelfeld. Stevens brachte Vargas für Volland, was aber abgesehen von der Tendenz des Chilenen, über die rechte Seite anzugreifen und eher das Dribbling zu suchen, nicht allzu viel an den Abläufen auf Seiten der Gastgeber änderte. Die zuvor nicht konstant auftretenden, aber zumindest unterschiedlich ausgeprägten Offensivansätze von 96 wurden mit dem folgenden Wechsel allerdings weitgehend erstickt, indem mit Benschop ein zweiter Stoßstürmer kam und Prib weichen musste. 96 wurde nun wieder deutlich flacher gestaffelt, musste mit mehr langen Bällen operieren und verlor auch etwas die Verbindung ins Zentrum von den Flügeln. Gegen den Ball wurde zudem das jetzt etwas tiefere 4-4-2-Pressing anfälliger und offenbarte wegen zu großer Passivität und mangelhafter Kohärenz im Verschieben Lücken. Mike-Steven Bähre für Saint-Maximin und Polanski für Amiri bedeuteten dann die letzten Wechsel vor der Schlussphase. Bähre versuchte sich an einer eingerückten Stellung vom rechten Flügel aus, konnte aber ebenso wie nun Erdinç und Benschop kaum ins Spiel eingebunden werden. Hoffenheim kam nun noch etwas regelmäßiger zu Kontergelegenheiten, spielte diese aber oft in Unterzahl aus. Dennoch war die Stevens-Elf in der zweiten Halbzeit dem 2:0 näher als 96 dem Ausgleich, doch Zieler vereitelte erst gegen Vargas und verkürzte anschließend gegen Polanski stark den Winkel. Auch mit dem zuvor eingewechselten Bicakcic verriegelte Stevens vor Schluss noch das Zentrum und 96 kam nicht mehr final vor das Tor.
Fazit
Nach einer fast schon sehr guten Anfangsphase, bei der vor allem die Angriffe über die linke Seite und die überraschenden Synergien zwischen Prib und Saint-Maximin für Gefahr und Chancen sorgten, litt 96 unter dem unglücklichen Spielverlauf und einer schlechter abgestimmten Offensive. Hoffenheim zeigte aber auch gute Szenen im Angriff, sodass lediglich die große Effektivität als glücklich einzuschätzen ist. Gegen den Ball war Hoffenheim zwar deutlich zurückhaltender als 96, dafür aber auch dauerhaft besser organisiert. In der zweiten Halbzeit kam 96 nur noch zu sehr wenigen Abschlüssen, strahlte nur nach Standards wirkliche Gefahr aus und fing sich einige Konter, die letztlich das 1:0 rechtfertigen, obwohl 96 insgesamt wohl weiterhin ein Chancenplus zu verzeichnen hatte. Die ebenso bekannten wie brotlosen Wechsel nach einer Stunde versetzten den Angriffsbemühungen dann den Todesstoß und 96 schrammte trotz insgesamt ordentlicher Vorstellung knapp am 2:0 vorbei. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.
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