Man kennt das ja: Das Jahr ist vorbei, und weil der Kalender irgendwann wieder von vorne anfangen muss, nutzt man die Gelegenheit für eine Bilanz. Voller Resignation und Missfallen stellen wir kurz dar, warum wir uns mit der Entwicklung des Hannoverschen Sportvereins von 1896 in den letzten zwölf Monaten nicht im Geringsten anfreunden können, wenn es um das eigentliche Kerngeschäft geht, den Sport auf dem Rasen. Von einem interessanten Projekt hin zum langweiligen Durchschnitt mit Tendenz nach unten. Zurück zur vollständigen Graumäusigkeit mit einem Schuss Chaos – das war 2015 für 96.
Dabei schadet es nicht, sich die grundsätzliche Situation des Vereins (oder der GmbH & Co. KgaA) vor Augen zu führen: Hannover 96 ist wirtschaftlich gesund, spielt in einem modernen, fast abbezahlten Stadion und konnte seinen Umsatz in den letzten Jahren kontinuierlich steigern. Im Gegensatz zu anderen Bundesligisten, die zudem überwiegend nicht so lange am Stück in der ersten Liga spielen, ist 96 wirtschaftlich handlungsfähig. Oder anders ausgedrückt: Wer es sich leisten kann, für Felix Klaus und Charlison Benschop rund vier Millionen Euro auszugeben, hat vermutlich eine Frischgelddruckerei im Keller. Zudem wurden zuletzt die überfälligen Investitionen in das neue Nachwuchsleistungszentrum ohne große Schwierigkeiten vollzogen.
Wie im Jahr 2015 auf diese wirtschaftlich sehr guten Voraussetzungen aus sportlicher Sicht aufgebaut wurde, bietet allerdings genug Anlass zum Kopfschütteln. Wo noch im Januar mit Sören Osterland und Tayfun Korkut zwei junge, „moderne“ Trainer in der Verantwortung im Herrenbereich standen, deren Verpflichtung jeweils als mutige und zukunftsweisende Entscheidung verkauft wurde, besetzten zur neuen Saison Michael Krüger und Michael Frontzeck die zwei prominentesten Trainerstellen. Während Korkut seiner guten Ausbildung und langfristigen Perspektive wegen eingestellt wurde, rühmte sich Frontzeck vor allem seiner langjährigen Erfahrung. Osterland gegenüber wurde als Begründung für die ausbleibende Vertragsverlängerung angeblich sogar auf sportlich relevante Kriterien verzichtet: Er sei schlicht zu jung. Sein Nachfolger wurde Michael Krüger, der eben sehr erfahren sei. Ein treffenderes Sinnbild für die Entwicklung auf sportlicher Ebene bei 96 im vergangenen Jahr zu finden, dürfte schwierig werden.
Von der „Schlagdistanz“ zur „harten Schule“
Aus spielerischer Sicht war 2015 für Hannover 96 ein vollkommen verlorenes Jahr. Bereits im Januar hatte der bewusst für eine andere Art von Fußball verpflichtete Tayfun Korkut eine Mannschaft geformt, die sich über flachen Spielaufbau, Aktivität und Dominanzanspruch definieren sollte und folglich mit dem 96 früherer Jahre kaum mehr als das Wappen teilte. Keine sechs Monate später war von dieser hart erarbeiteten Entwicklung nicht einmal mehr etwas zu erahnen. Nachdem Korkut in Folge einer außergewöhnlichen Ergebniskrise kurz vor Saisonschluss entlassen wurde, schien sich auch der ursprünglich mit seiner Verpflichtung verbundene Gedanke an eine eigene fußballerische Identität verflüchtigt zu haben. Jeder wusste, dass der eingeschlagene Weg mit Michael Frontzeck unabhängig seiner erfolgreichen „Rettungsmission“ nicht weiter verfolgt werden konnte. Und trotzdem erhielt er — entgegen des ursprünglichen Plans — einen Vertrag für die kommende Saison. Statt den Transfermarkt nach ballsicheren Kombinationsspielern zu durchsuchen, wurde in der Folge das Augenmerk wieder auf physische Laufwunder gerichtet. Vor Saisonbeginn von vielen Journalisten und nicht gerade wenigen Fans ausgiebig bejubelt, stellte sich aber bereits nach wenigen Auftritten die Ernüchterung über einen Fußball ein, der seinen spielerischen Ursprung und die Freude an sich selbst ausdauernd leugnet. Nachdem während der Wochen des tabellarischen Niedergangs unter Korkut noch der Blut-Schweiß-und-Tränen-Fußball zurückgesehnt wurde, hielt die Freude über das simple Spiel in der Öffentlichkeit doch nur kurz an.
Aus der bewussten Entscheidung für eine bestimmte strategische Ausrichtung war im Sommer innerhalb weniger Wochen entweder eine bewusste Abkehr von diesem Vorhaben — oder ein unbewusster Rückfall in die Zeit vor dem perspektivischen Verfolgen eines Konzepts geworden. Folgerichtig war 96 in den letzten Monaten des Jahres auch nur noch dadurch von jedem beliebigen Mittelklasse-Bundesligisten zu unterscheiden, dass der Konter-Fußball ein wenig schlechter und noch ein wenig ambitionsloser dargeboten wurde. Zwischendurch brachte 96 nicht einmal mehr den unteren Bundesliga-Standard im Spiel gegen den Ball auf den Rasen. Die Ergebnisse fielen zunehmend bedrohlich aus. Als sich leichte Besserungen im Spielaufbau und im Ausspielen der Konter einstellten, die Ergebnisse aber mangelhaft blieben, stand 96 zum zweiten Mal im Jahr vorübergehend ohne Cheftrainer da, zum zweiten Mal zudem im unbeheizten Bereich der Tabelle. Mittlerweile regiert ausschließlich die Angst vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit das Umfeld. Eine Vision für die mittelfristige Entwicklung der Mannschaft oder eine fußballerische Identität sind nicht mehr festzustellen. Aus taktischer Sicht könnte eine Fußballmannschaft im Moment nicht viel durchschnittlicher sein als 96 – ihren Plan besser auszufüllen gelingt jedoch den meisten Konkurrenten. Ob sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, wird auch vom neuen Cheftrainer abhängen.
Wir suchen einen, der ähnlich denkt wie Michael Frontzeck. – Martin Bader in der Rücktritts-PK
Der abrupte Wandel vom Streben nach Langfristigkeit hin zu einem Wir machen, was alle machen und hoffen, dass es in einzelnen Spielen besser klappt als beim Gegner ist vielleicht als Angst vor der eigenen Courage zu verstehen. Auf jeden Fall aber lässt sich dieser Umschwung auch mit den strukturellen Problemen in der sportlichen Führung erklären, die 96 im Jahr 2015 auszeichneten. 96 war mit einem (zudem von höchster Stelle abgesägten und dann doch begnadigten) Sportdirektor, einem Präsidenten mit unbekannten Beratern und tatsächlich nur einem Scout einfach nicht breit genug aufgestellt, um die Grundlagen für sportliche Erfolge zu legen. Mit fußballerischer Kompetenz so dünn besetzt, war 96 in wichtigen Entscheidungen zu anfällig für das menschliche Versagen. Dass dieser Zustand erkannt und mittlerweile zumindest theoretisch behoben wurde, gehört allerdings auch zur Bilanz dieses 96-Jahres. Mit einer neuen Struktur im Vorstand, der neu geschaffenen Stelle des Kaderplaners, einem eventuell noch folgenden Sportdirektor und noch weiteren angekündigten Veränderungen in der Scouting-Abteilung scheint die Robustheit der Entscheidungsprozesse zunächst einmal gesteigert, wie Martin Kind es vielleicht ausdrücken würde. Ob und wie sich diese Umbauarbeiten im Verein auch praktisch und positiv niederschlagen, wird man wohl schon bei den jetzt anstehenden Entscheidungen auf dem Trainer- und Transfermarkt erahnen können. Grundsätzlich und unabhängig der konkreten Personen ist die Neuaufstellung der sportlichen Führung aber ein Schritt in die richtige Richtung, wenngleich die gesamte Entwicklung in der Trainerfrage zuletzt neue Fragen aufzuwerfen scheint.
Vom Stimmungsboykott zum neuen Dialog
Zu der Ambivalenz der Entwicklung des Gesamtbildes 96 im Jahr 2015 tragen als weiterer positiver Trend auch die Bemühungen des Vereins um eine bessere Beziehung zu den Fans und insbesondere den aktiven Gruppen bei. Mit dem Ausbau des Stehplatzbereiches im Oberrang der Nordkurve und der Wiedereinführung von Mehrwegtrinkbechern im Stadion, die die Fortführung einer von der IG Rote Kurve organisierten Spendenaktion ermöglicht, kam der Verein der organisierten Fanszene und ihren Anliegen erstmals spürbar entgegen. Eine offizielle Stellungnahme, in der die Berichterstattung über Vorfälle bei der Auswärtsfahrt nach Mönchengladbach zu Gunsten der eigenen Fans eingeordnet wurde, wäre zu Beginn des Jahres noch undenkbar gewesen. Und wie die Reaktion auf die Pyro-Choreografie beim Pokalspiel in Darmstadt noch in der letzten Rückrunde ausgefallen wäre, bedarf keiner großen Phantasie; Ende Oktober gab es von Vereinsseite dazu nahezu keine Äußerung mehr, geschweige denn öffentlichkeitswirksame Ankündigung harscher Konsequenzen.
Das alles führt zu einer denkwürdigen Bilanz der vergangenen zwölf Monate: Der vor rund einem Jahr als bewusste strategische Ausrichtung für die Zukunft verkaufte Weg wurde spätestens mit dem neuen Vertrag für Michael Frontzeck kommentarlos verlassen. Nach dem Klassenerhalt in letzter Minute ging es allerdings mit neuem Personal im Kernbereich des Vereins rapide und kontinuierlich bergab. Statt das grundsätzliche Konzept weiter zu verfolgen, wurde die Uhr wieder um ein paar Jahre zurückgedreht und die Konzeptlosigkeit kultiviert. Ironischerweise schien ausgerechnet diese tiefgreifende Fehlentscheidung, die als Konsequenz der lange bekannten strukturellen Defizite im Verein interpretiert werden kann, den letzten Anstoß zum überfälligen Kulturwandel zu geben. Vor allem ab der zweiten Jahreshälfte wurden mit dem Bemühen um ein besseres Verhältnis zur Fanszene und der breiteren Aufstellung der sportlichen Leitung die Weichen für eine bessere Zukunft gestellt – allerdings mit noch unklaren Signalen in der Gegenwart. Bevor diese Änderungen nachhaltig greifen können, verfügt 96 am Jahresende 2015 jedoch weder über eine fußballerische Identität, noch über eine Vision für die Zukunft. Oder über einen Trainer.
Erst bot 2015 den 96-Fans im Frühjahr eine außergewöhnliche Negativserie. Es folgte der nervenaufreibende und glückliche Klassenerhalt als emotionales Zwischenhoch. Danach legte 96 eine erratische Saisonplanung mit einem eigentlich schon entlassenen Sportdirektor und der zur Spielidee erhobenen sportlichen Ambitionslosigkeit hin, die Schlimmes erahnen ließ. Folgerichtig geriet der Saisonstart zur mittelschweren Katastrophe, die aus fußballerischer, taktischer Sicht kaum zu ertragen war. Und auch wenn sich zuletzt zaghafte Besserung einstellte, liest sich die 96-Ausbeute am Ende ernüchternd: 2015 gab es in der Bundesliga sechs Siege, neun Unentschieden, stolze 19 Niederlagen und eine Torbilanz von 37:59, während auch ergebnisunabhängig der Fußball zeitweise von Woche zu Woche schlechter wurde. Aber wenn dieses, wir sagen es jetzt einfach, vollkommen beschissene Jahr für 96 doch noch etwas Gutes gehabt haben sollte, dann wohl das: 96 musste sich offensichtlich erst in eine neue, schwere Krise wurschteln, um den Mut zu finden sich seiner tiefgreifenden Probleme zu entledigen. Und vielleicht bietet die abgelaufene Hinrunde dem 96-Umfeld und vor allem seinen meinungsbildenden Vertretern auch sehr plastisches Anschauungsmaterial für die Konsequenzen eines unterkomplexen Fußballverständnisses und für das Wesen des modernen Fußballs allgemein. Schön wäre es ja.
Frohes neues Jahr.
„Aus der bewussten Entscheidung für eine bestimmte strategische Ausrichtung war im Sommer innerhalb weniger Wochen entweder eine bewusste Abkehr von diesem Vorhaben — oder ein unbewusster Rückfall in die Zeit vor dem perspektivischen Verfolgen eines Konzepts geworden.“ — Ich persönlich denke nach wie vor, dass die Verpflichtung Korkuts nie eine wirklich bewusste, die fußballerische Identität der Mannschaft neu definieren wollende, Entscheidung gewesen ist.
Die Verpflichtung war zum damaligen Zeitpunkt mutig und ungewöhnlich, aber wenn man nun rückschauend die Entwicklung nach Korkuts Entlassung betrachtet, scheint sie ohne jede wirkliche Überzeugung getroffen worden zu sein.
(Also, ich glaube schon, dass Kind von Korkut überzeugt war; sogar sehr, aber dieses Einschätzung betraf womöglich nicht dessen Wirken an sich, sondern seine Tugenden als Angestellter des Vereins.)
Vielmehr wirkt die Entscheidung, seinerzeit auf Korkut zu setzen, für mich wie das Ergebnis eines überzeugenden Vorstellungsgespräches verbunden mit der Idee „Wir machen jetzt mal was Krasses!“ – allein schon, weil ich Martin Kind und seinem „Schattenkabinett“ die Kompetenz abspreche, die konzeptionelle Arbeit eines Trainers zu beurteilen.
Martin Bader scheint nun eine komplette Kursumkehr vermeiden zu wollen (was auch immer eher mit einem „Frontzeck ähnlichen Trainer“ meinen mag); einen ähnlichen Denkansatz hätte man sich im vergangenen Januar gewünscht, als noch so viel da war, worauf man hätte aufbauen können… 🙁
Zu guter Letzt: Danke an euch für ein Jahr voller hochinteressanter Analysen und Denkanstösse. Ich werde auch 2016 ein Fan Eures Blogs sein! 🙂
Ja, das kann natürlich auch sein. Ich hab bisher immer zugunsten Kinds%Co.s einfach angenommen, man habe sich etwas dabei gedacht. Weil es vorher ja auch die ein oder andere Aussage gab, die das zumindest nahelegt. Es war ja durchaus aufgefallen, dass es nicht schaden kann, ein bisschen selber Fußball zu spielen. Und Moniz spricht zumindest theoretisch auch eher dafür. Aber genau wissen kann man’s nicht, von daher bleibt es gut möglich, dass auch Korkut nur einer der ganz normalen Ausrutscher war, nur in dem Fall eben nach oben.
Und zu guter Letzt: Vielen Dank, wir arbeiten dran ;).
Nun also (wie erwartet) Schaaf… Was haltet ihr davon?
Ich tue mich schwer, Schaaf wirklich einzuordnen. Als „schlechten Trainer“ würde ich ihn keinesfalls bezeichnen wollen; es gehört schon Kompetenz und Geschick dazu (und sei es „nur“ psychologisch/pädagogisch), eine Mannschaft über so lange Jahre hinweg erfolgreich zu verändern und zu führen, wie es ihm (im Verbund mit Allofs) bei Werder gelungen ist.
Was mir aber aus den letzten Jahren besonders im Gedächtnis haftet, ist einerseits eine riskante und im Ergebnis mangelhafte Transferpolitik und eine ebenso riskante und immer weniger erfolgreiche Spielweise.
Ohne sein Wirken in den letzten Werder-Jahren und bei der Eintracht allzu bewusst verfolgt zu haben, scheint er mir vielfach Spieler völlig falsch eingesetzt zu haben (Paradebeispiel Junuzovic, auch Marin in der Mitte fand ich wild) und versucht zu haben, seinen Offensivplan durchzudrücken (was ja gut ist), ohne jedoch dafür eine funktionierende Ordnung auf dem Platz zu schaffen (was wir ja – in anderer Form – grad erst hatten).
Eine Analyse seiner taktischen Fähigkeiten überlasse ich lieber euch… 🙂
Positiv ist auf jeden Fall sein m. E. nach wie vor gutes bis sehr gutes Standing in der Öffentlichkeit (besonders hier im Norden), das kann 96 immer und besonders derzeit gut gebrauchen.
Ich bin der Meinung, dass es nach der Absage von Favre sicherlich „taktisch hochwertigere Möglichkeiten“ auf dem Markt vorhanden waren (z.B. Gisdol, Runjaic, z.T. Fink, etc.), kann aber die weniger mutige Entscheidung der Entscheidungsträger, bedingt durch die aktuelle Tabellensituation und der Angst vor einem evtl. wirtschaftlichen Desaster bei einem Abstieg, durchaus nachvollziehen.
Ein klares auf die Zukunft ausgerichtetes Konzept seitens des Vereins kann ich zwar immer noch nicht erkennen;), aber vielleicht kann sich dieses noch während der Konsolidierungsphase unter Schaaf entwickeln. Und wieso Schaaf als Trainer ähnlich denkt wie Frontzeck (Gott bewahre) ist mir immer noch ein Rätsel. Hoffe mal das Bader Empathie hat walten lassen und einen für die Presse rausgehauen hat.
Ich freue mich in Zukunft auf offensiven Fussball und hohes Pressing und hoffe dabei, dass Schaaf die letzten 6 Monate genutzt hat um sich in Bezug auf defensive Stabilität im Verbund und weiterer schematischer Formationen außerhalb der 4-4-2 mit Raute, weiterentwickelt hat.
Ich vermute, beide Parteien wollten Fahrtzeiten und -kosten sparen…
Witz beiseite:
Auch ich hätte Lewandowski, Gisdol oder Kauczinski bevorzugt – von Favre ganz zu schweigen.
Schaaf hat zusammen mit Allofs in Bremen jahrelang überragende Arbeit geleistet. In diesen glorreichen Zeiten hat er immer einen Zehner, einen Spielmacher besonderer Güte wie Herzog, Micoud, Diego, Özil im Kader.
Die SZ schrieb: „Es gibt keinen Spielmacher mehr – dabei ist diese Position bei einem Rauten-System, wie es Werder traditionell bevorzugt, noch wichtiger als bei anderen Herangehensweisen.“
http://www.sueddeutsche.de/sport/das-dilemma-von-werder-bremen-herzog-micoud-diego-oezil-und-jetzt-1.2615323
Warum das so ist, erklärt uns vielleicht Jaime freundlicherweise. Schaaf steht ja in dem Ruf, mit einer „Raute“ zu spielen.
Es gibt nun keinen Zehner mehr in der Liga. Diego bei Wolfsburg war
vermutlich der Letzte. Anschließend bleibt mir nur in Erinnerung, dass
Schaafs Mannschaften immer viele Gegentore kassierten – in Frankfurt zuletzt 62! Wie man so sagt, er hatte es nicht geschafft, die Balance zwischen Offensive und Defensive herzustellen.
Mein Eindruck war, schon bevor er zu Frankfurt wechselte, dass er ie einige seiner Kollegen von der Zeit überholt worden ist. Aber ich habe auch keine große Ahnung von Taktik.
Dass Bader Schaaf geholt hat, ist in meinen Augen, keine sportlich strategische Entscheidung, sondern eher eine politische. Er hat jemand mit renommiertem Namen, langer Bundesligaerfahrung – einen alten Hasen – geholt. Schaaf hat 513 Bundesligaspiele in 16 Spielzeiten und 1,51 Punkte pro Spiel vorzuweisen.
http://www.transfermarkt.de/1-bundesliga/erfolgreichetrainer/wettbewerb/L1
Unter den aktiven Trainer ist er damit der erfahrenste vor Huub Stevens mit 374 Spielen.
Ich verstehe die Personalie nicht vom Erfolgsfall her. Wenn der
Klassenerhalt gesichert wird, ist es egal, wie der Trainer heißt. Im
Falle eines Abstiegs aber könnte man Bader bei fast jeder anderen
Trainerwahl einen Vorwurf drechseln: „Mit einem Zweitligatrainer, dass
das nicht gutgehen kann, das war doch zu befürchten….“
Sollte 96 absteigen, wäre Bader draußen vor, dann war es halt der von Dufner zusammengestellte Kader und Bader könnte mit einem neuen Trainer den Aufstieg angehen. Bader hat jetzt alle auf seiner Seite: Martin Kind, die Gesellschafter, die Presse, die Fans, das Renommee von Schaaf überstrahlt alles.
Die Entscheidung Thomas Schaaf zu verpflichten, ist aus Sicht von Martin Bader sicherlich das Klügste, was er tun konnte:
Die Personalie Schaaf ist nicht vom Erfolgsfall, den Klassenerhalt, her zu verstehen.
Ausschlagebend dürfte die Überlegung gewesen sein, was passiert im Abstiegsfall?
Wenn der Klassenerhalt geschafft wird, ist es egal, wie der Trainer heißt. Im Falle eines Abstiegs aber könnte man Bader bei fast jeder anderen Trainerwahl einen Vorwurf drechseln: „[i]Mit einem Zweitligatrainer/mit diesem Trainer, dass das nicht gutgehen kann, das war doch zu befürchten….[/i]“
Ob Schaaf die beste Wahl ist, um den Klassenerhalt zu erreichen, wer will das schon mit Sicherheit beurteilen können? Er ist aber mit Sicherheit der beste Trainer für den worst case, für den Abstieg. Falls 96 mit Frontzeck oder z.B. mit Keller (umstritten) oder Gisdol (kann keinen Abstiegskampf) oder Kauczinski/Lewandowski (Zweitligatrainer), fiele ein Teil der Schuld immer auch auf Bader zurück, da er als Verantwortlicher die Position des Trainers mit jemanden besetzt hat, von dem man von vornherein wußte, dass Zweifel an seiner Qualifikation für diese Aufgabe bestanden. Schaaf mit seiner Erfahrung, Reputation und Akzeptanz ist da der größte allgemeine Nenner. Ob Schaaf unter allen Kandidaten wirklich der geeigneste Trainer für diesen Kader in dieser Konstellation ist, das spielt so gesehen eigentlich keine Rolle – auch wenn so die eigentliche Aufgabenstellung von Bader lautete.
(Früher haben IT-Leiter immer SAP gekauft, auch wenn es für ihre Firma gar nicht optimal ausgelegt war. Aber sie wußten halt, dass sie sich damit außerhalb der Schusslinie stellten, da SAP allgemeine Akzeptanz genoss, ihrer Karriere keinen Schaden zufügten, so das geringste Risiko eingingen.)
Sollte 96 absteigen, wäre Bader draußen vor, dann war es halt der von Dufner zusammengestellte Kader und Bader könnte mit einem neuen Trainer den Aufstieg angehen. Bader hat jetzt alle auf seiner Seite: Martin Kind, die Gesellschafter, die Presse, die Fans – das Renommee von Schaaf überstrahlt erstmal alles.
Bleibt vor allem Thomas Schaaf viel Erfolg zu wünschen [b]und die Mannschaft in den bevorstehenden Spielen bedingungslos zu unterstützen.[/b]
Ich vermute, beide Parteien wollten Fahrtzeiten und -kosten sparen…
Witz beiseite:
Auch ich hätte Lewandowski, Gisdol oder Kauczinski bevorzugt – von Favre ganz zu schweigen.
Schaaf hat zusammen mit Allofs in Bremen jahrelang überragende Arbeit geleistet. In diesen glorreichen Zeiten hat er immer einen Zehner, einen Spielmacher besonderer Güte wie Herzog, Micoud, Diego, Özil im Kader.
Die SZ schrieb: „Es gibt keinen Spielmacher mehr – dabei ist diese Position bei einem Rauten-System, wie es Werder traditionell bevorzugt, noch wichtiger als bei anderen Herangehensweisen.“
http://www.sueddeutsche.de/sport/das-dilemma-von-werder-bremen-herzog-micoud-diego-oezil-und-jetzt-1.2615323
Warum das so ist, erklärt uns vielleicht Jaime freundlicherweise. Schaaf steht ja in dem Ruf, mit einer „Raute“ zu spielen.
Es gibt nun keinen Zehner mehr in der Liga. Diego bei Wolfsburg war vermutlich der Letzte. Anschließend bleibt mir nur in Erinnerung, dass Schaafs Mannschaften immer viele Gegentore kassierten – in Frankfurt zuletzt 62! Wie man so sagt, er hatte es nicht geschafft, die Balance zwischen Offensive und Defensive herzustellen.
Mein Eindruck war, schon bevor er zu Frankfurt wechselte, dass er wie einige seiner Kollegen von der Zeit überholt worden ist. Aber ich habe auch keine große Ahnung von Taktik.
Dass Bader Schaaf geholt hat, ist in meinen Augen, keine sportlich strategische Entscheidung, sondern eher eine politische. Er hat jemand mit renommiertem Namen, langer Bundesligaerfahrung – einen alten Hasen – geholt.
Schaaf hat 513 Bundesligaspiele in 16 Spielzeiten und 1,51 Punkte pro Spiel vorzuweisen.
http://www.transfermarkt.de/1-bundesliga/erfolgreichetrainer/wettbewerb/L1
Unter den aktiven Trainer ist er damit der erfahrenste vor Huub Stevens mit 374 Spielen.
Meine Fresse, was für ein abgefahren guter Artikel. Wo kriegt man so etwas
schon geboten!?
96 und Entwicklung…
Seit meiner frühen Jugend sehe ich Spiele von 96. Nach einigen Jahren fragte ich mich, warum 96 meistens so vergleichbar elendig spielt, nicht in der Lage ist, einen Gegner zu bespielen, der hinten dicht macht, das Spiel offensiv zu gestalten, obwohl doch ganz andere Spieler im Kader standen als die Jahre zuvor. Meine Erklärung
damals lautete, weil niemals der ganze Kader ausgewechselt wird, sondern
immer nur ne Handvoll Spieler – so erbt sich diese spielerische
Hilflosigkeit fort und „Elend kommt zu hohen Jahren“ (Hamlet).
In der Saison nach Enkes Freitod kam es ja zum Aufwind unter Slomka, der
angeblich durch die Maschmeyer-Connection zu 96 stieß. Die jetzige
Talfahrt setzte für mich gefühlt mit dem Rauswurf Pogatezs, dem
Zerwürfnis Slomka/Schmadtke und der Vertragsverlängerung Slomkas an.
Der einzige Lichtblick seit dieser Zeit stellte Korkut dar, der in
seiner Vorstellungs-PK sagte (versprach): „Auf Dauer holt man Punkte nur
mit gutem Spiel.“ Mit diesem Credo brach er nach dem überaus
glücklichem 1:0 Heimsieg gegen Köln, als er sagte, dass allein das
Ergebnis zähle und sich Kritik an der Spielweise verbot. In der
Rückrunde versuchte Korkut dann doch, seinem Credo gerecht zu werden,
womöglich auch, weil ihm Stindl nach langer Verletzungspause
wieder zur Verfügung stand.
Dann folgte das, was diejenigen, für die Korkut ein Hoffnungsträger für
anspruchsvolleren Fußball war, Ergebniskrise nennen. Die Hinrunde unter
Korkut stand, wie der Artikel titelt, unter dem quälenden wie verlogenem
Schlagwort „Schlagdistanz“. 96 spielte schlecht, fuhr aber gehörig
Punkte ein.
Jeder denkende Fußballfan ahnte, dass das über eine Saison nicht gut
gehen konnte, dennoch wurde sich in Hannover wiedermal in die eigene
Tasche gelogen – so wie damals schon als es mit Slomka bergab ging, als
es hieß, man müsse nur wieder zur guten, alten 96-Chancenauswertung
zurückkehren wie in der Vorsaison, als 96 aus wenig Chancen viele Tore
erzielte.
Ich dachte damals: Der arme Korkut steht sicherlich unter immensen
Erfolgsdruck seitens Martin Kind, der verlangt, dass gestiegene Investitionen in
den Kader sich auch tabellenmässig ausdrücken müssen. Dieses
Erwartungshaltung Kinds war vermutlich kontraproduktiv, besser hätte ich
es gefunden, er hätte Korkut ein Jahr des Umbruchs, der Umstellung
zugestanden.
Dass Korkut dann leider ausgewechselt werden musste war unvermeidlich und
erfolgte auf den allerletzten Drücker – es war eigentlich egal gegen wen.
Was Frontzeck für die spielerische Entwicklung 96 bedeutet, das wurde mehr
als schnell klar: nicht nur Stagnation, sondern Rückschritt. 96 ist, bei
aller alter Liebe, ein Wirtschaftsunternehmen, das ein Produkt anbietet: Gekicke.
Warum ich Jahr für Jahr gut 50 Euro für einen Stadionbesuch ausgeben und
Stunden meiner wertvollen Freizeit opfern soll, um mir einen Fußball anschauen
zu müssen, der einen mehr quält als unterhält, frage ich mich fast jedes
Mal, wenn ich aus dem Stadion gehe. Daher empfand ich die
Weiterverpflichtung Frontzecks als Ohrfeige und Abwertung der „Marke“,
des Produkts 96. Man macht ja vieles mit als 96-Fan, aber ich kenne
einige Fans, die nach Jahren der magersten Magerkost endlich mal
attraktiven Fußball sehen wollen – der Tabellenplatz ist da eher
marginal, solange man die Liga hält.
Als Frontzeck wochenlang behauptete, dass 96 Zeit benötige und aktuell
noch nicht konkurrenzfähig sei, hatte ich 96 angeschrieben und gefragt,
warum ich Bundesligaeintrittspreise zahlen soll, wenn 96 nichts
Bundesligareifes anbiete.
Das einzig Gute in 2015 aus meiner Sicht ist, dass Martin Kind, dem 96
die Bundesligazugehörigkeit verdankt, sich aus dem sportlichen Bereich
zurückgezogen hat. Seine Personalentscheidungen – bis auf Korkut – waren
alle unglücklich und so hat er sich leider mit dem „Arsch“ eingerissen,
was er zuvor aufgebaut hat. Denn der sportliche Niedergang war so etwas
von unnötig und geht allein auf die Kappe von Martin Kind –
tragischerweise. Die Tragik großer Männer…?
Was mich jetzt aber schon wieder nervt ist, dass Kind sich zur
Trainerfrage äußert und Favre und Schaaf als erste Wahl bezeichnet.
Diese beiden werden es aber vermutlich nicht werden, doof für den
neuen Trainer, dass er im besten Fall nur dritte Wahl darstellt. Das ist natürlich auch unschön für Martin Bader. Martin Kind sollte sich öffentlich doch endlich mit solchen Aussagen zurückhalten, auch wenn es schwerfällt, wenn man gefragt wird.
Zu den Spielern:
Felix Klaus wird allerorten als zu behäbig, zu langsam eingestuft, was ich
nicht verstehe. Dufners Job war es doch, Frontzeck junge, schnelle
Spieler zu besorgen.
Warum wollte Frontzeck André Hoffman loswerden? Hoffmann galt doch als
Hoffnungsträger und man holte nach seinem Kreuzbandriss extra
langfristig keinen neuen Spieler, um ihm keinen Spieler vor die Nase
zu setzten.
Könnte nicht einer der neun jungen Spieler wie Teichgräber, Rankovic, (lebt
der noch?), Ernst, Prokoph, Dierßen, Hirsch, Anton, Bähre oder Sulejmani
den Sprung in den Kader schaffen? Hat denn da keiner das Potenzial?
http://www.kicker.de/news/fussball/regionalliga/rln/regionalliga-nord-2012/2015-16/hannover-96-ii-3280/kader.html
Ich hoffe, was 96 angeht, dass 96 sich weiter professionalisiert – sich
breiter aufstellt. Einen Sportdirektor einstellt, die Scoutingabteilung
kräftig ausbaut, die Nachwuchsförderung intensiviert und einen jungen,
modernen Trainer holt, der 96 perspektivisch weiterentwickeln kann – notfalls auch über den Umweg über die zweite Liga.
Sonntag, der 27. Dezember 2015
Die PK mit Thomas Schaaf war ja eine gelungene Veranstaltung – beruhigend für mich vor allem, dass Schaaf meinte, er sei variabel, was die Spielsysteme anginge.
Jaime, hast Du eine Meinung zu Ádám Szalai?
Zu seinem Verhalten auf dem Platz keine gute (Rumgeschwalbe), zu seinem Spielerprofil keine überschwänglich positive. Aber insgesamt schon ein okayer Stürmer für 96, technisch natürlich nicht toll und auch nicht extrem spielintelligent, aber schon in Ordnung für einen Durchschnittsverein. Aber das gleiche gilt im Prinzip auch für Erdinc, obwohl die natürlich unterschiedliche Typen sind. Und da hat es ja auch nichts genutzt, also hängt es wie so oft nicht nur vom Spieler ab ;).