96 – TSG Hoffenheim 2:0

Schlechte Sicht und schwere Kost beim Toreschießen: Hannover murmelt wieder ein Standardtor und entscheidet gegen ein durchaus vielversprechendes Hoffenheim die Schnee-Ball-Schlacht mit einigen taktischen Volten für sich.

  • Es schneit, man sieht schlecht, ständig fällt jemand hin: Hoffenheim spielt trotzdem interessant und mutig mit dem Ball. Hannovers aggressives Pressing ist ein weiterer Hemmschuh auf dem Weg zum geordneten Angriffsspiel, das intensive Mittelfeldpressing überzeugt allerdings mehr.
  • Hoffenheim presst recht zurückhaltend und verstellt das Zentrum, das Hannover aber ohnehin kaum einmal als Durchlaufstation für den Ball bemüht. Stattdessen baut Hannover hohe Offensivpräsenz auf und erzeugt auch nach engen Zweikampfszenen im verschneiten Mittelfeld Druck in die Tiefe.
  • Achja, es hat übrigens geschneit. Das spielt vermutlich bei der Wahrnehmung und definitiv bei der Bewegung im Tempo der Spieler unterschwellig die ganze Zeit eine Rolle, sorgt aber auch immer wieder für ein diffuses Abflachen des Spiels. Hannover schießt dann zwei Tore nach Standards, die natürlich dazu einladen, sie als „logisch bei dem Wetter“ einzuordnen. Die Hoffenheimer Leistung hätte allerdings durchaus mehr verdient gehabt.

Hoffenheim mit Wechselsystem, 96 mit Druck auf die Abwehr

Julian Nagelsmann hatte unter der Woche seine A-Elf gesondert trainieren lassen und eine Nachwuchsmannschaft auf Euro-League-Reise geschickt. Die Daheimgebliebenen hatten die Übungseinheiten offenbar genutzt, um eine interessante und durchaus effektive taktische Variante einzustudieren: Gegen den Ball erwartete Hoffenheim in einem eher passiven 5-3-2-Pressing den Spielaufbau des Gegners und setzte die gegnerischen Innenverteidiger nicht unter Druck. Die TSG versperrte stattdessen das Mittelfeldzentrum und bewegte sich kompakt zum Ball. Lukas Rupp agierte dabei als rechtes Glied der Fünferkette neben Kaderábek als Halbverteidiger. Die beiden Achter Kramaric (rechts) und Amiri (links) liefen die tief angebundenen und freistehenden 96-Außenverteidiger diagonal an, während einer der beiden Stürmer Uth und Gnabry zusätzlich auf Hannovers einzigen Sechser Schwegler zurückfallen konnte (anders als in ein paar Szenen im Spiel gegen Leipzig). Da Hannover in seinem anfänglichen 4-1-4-1 mit sehr früh nach vorne aufrückenden Achtern agierte, musste der Ball von den Außenverteidigern wenn nicht zurück zu Sané und Anton zwangsläufig die Linie entlang nach vorne gespielt werden. Dort zeigte Hannover in den besseren Szenen wieder recht gut getimte Läufe der Achter nach außen in den Rücken der angespielten Flügelspieler und erzeugte so relativ dynamische Angriffsansätze in die Tiefe – zumal in Überzahl gegen ja nur einen Flügelspieler in der gegnerischen Formation. Ähnliche Ansätze, wenn auch meistens mit den Flügelspielern selber, gab es auch zu sehen, wenn die 96-Innenverteidiger den Ball lang nach vorne spielten, und sich die Achter in die Duelle um den zweiten Ball warfen. In beiden Fällen kam Hannover allenfalls in den Flügelräumen kontrolliert an den Ball und konnte deshalb auch keine Abschlüsse nach diesen Mustern verzeichnen.

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Hoffenheimer Pressingformation gegen Hannovers offensivpräsente Angriffsstaffelung.

Mit dem Ball vertraute Hoffenheim sowohl formativ, als auch strategisch auf einen anderen Ansatz, konnte damit die erste Halbzeit über weite Strecken kontrollieren und zumindest punktuell auch überzeugen. Im Ballbesitz formte sich die Nagelsmann-Elf in ein 4-3-3 um, indem Rupp auf die halbrechte Achterposition rochierte und Kramaric von der Acht in die Sturmreihe aufrückte. Gnabry und Uth besetzten meistens die Flügelstürmer-Rollen, ließen sich aber im Fall von Uth auch bei Bedarf ins Mittelfeld und zwischen die Linien zurückfallen. Hoffenheim wagte sich trotz des verschneiten Platzes, mit dem schwerer werdenden Ball und auch im Angesichts des phasensweise hohen 96-Pressings an ein relativ konsequentes Kurzpassspiel im Aufbau und riskante Zuspiele in enge Räume. Ihren ballnahen Außenverteidiger hielten sie dabei immer mal wieder recht tief und auf einer Höhe mit den Innenverteidigern, sodass verschobene Dreierreihen entstehen konnten, die dem Gegner den Zugriff erschwerten. (Ähnliches Prinzip, aber nicht ganz so konsequent durchgeführt und vor allem wegen Rupps Rolle heute auch ein bisschen anders nach vorne strukturiert:)

Hannover suchte nach mannorientierten Zuordnungen und beorderte im Angriffspressing dafür einen der Achter zu Füllkrug nach vorne, während sich Bebou und Benschop auf den Flügeln um Kaderábek und Zuber als Außenverteidiger in der Ballbesitz-Viererkette kümmerten. Auch unter Einbindung von Torwart Baumann und dem schon erwähnten Mut, von der Seite in die hannoversche Formation hinein auf Geiger zu spielen oder aus dem Zentrum am Gegner vorbei nach vorne zu dribbeln, konnte sich die TSG teilweise befreien. Nach vorne überzeugten dann einige direkt gespielte diagonale Spielzüge über Amiri, der halblinks eher zu den Seiten unterstützte, und kurze Ablagen von Kramaric oder Uth. Rupp rückte hingegen oft in die Spitze nach und attackierte die Schnittstelle zwischen Sané und Ostrzolek.

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Hoffenheims 4-3-3 mit Rupps Sonderrolle und der nicht immer in dieser Form angeordneten Sturmreihe (Kramaric auch öfter (halb-)rechts und Uth im Zentrum, Gnabry nicht immer rechts als Breitengeber).

Hoffenheim kam so zwar besser durch das Mittelfeld als 96 und konnte sich mit den Positionswechseln immer wieder den direkten Gegenspielern entziehen, blieb aber in der Regel am konsequent zurückfallenden Hannoverschen Abwehrblock hängen und hatte außerdem ein bisschen zu wenig Unterstützung von den eher vorsichtig nachrückenden Außenverteidigern. Diese Probleme wurden natürlich noch verstärkt, wenn 96 ohnehin tiefer presste. In dieser Variante überzeugte vor allem die Intensität gegen den Ball des 96-Mittelfelds, die durch Herausrücken der Achter und Nach-innen-Pressen der Flügelspieler entstand.

Bei so manchmal entstehenden lose umherspringenden Bällen machte sich dann wohl am meisten der schneebedeckte Platz bemerkbar, da sowohl das Anlaufen, als auch Richtungswechsel nur verzögert zu bewerkstelligen waren und eigentlich erst dadurch das ein bisschen schwerer vorhersehbare Verhalten des Balls zu einem Problem wurde – der Zugriff auf den Ball wurde erst im letzten Moment realisiert und mit der gesunkenen Wahrscheinlichkeit für Dribblings schien die Häufung an Fouls im Mittelfeld zuzunehmen. 96 mit seinen energischen Tiefensprintern Bakalorz, Klaus und Füllkrug strahlte in diesen (und auch anders entstehenden) halben Umschaltsituationen prinzipiell mehr Gefahr aus, sodass sich Hübner und Vogt oft in riskante Verteidigungsaktionen genötigt sahen. Weil sie das aber in der Regel gut lösten und sich beim Ausspielen der Konter kleine Ungenauigkeiten einschlichen, kam Hannover zwar zu einer kürzeren Phase mit mehr Präsenz, aber auch auf diesem Weg nicht zu aussichtsreichen Chancen. Zudem fehlte insbesondere am Ende der ersten Halbzeit, also nach dieser vielleicht zehnminütigen Sequenz mit mehr 96-Szenen, die Verbindung zwischen dem tief zurückgezogenen 96-Mittelfeld und dem weit vorne fast schon auf den Konter lauernden Füllkrug. Geiger und Amiri konnten mit den Verteidigern in der Regel rechtzeitig Kompaktheit um den Ball aufbauen, ehe Hannover nachrücken konnte.

Zwei Breitenreiter-Umstellungen stabilisieren Hannover

Vielleicht als Reaktion auf die Hoffenheimer Mittelfeld-Nutzung, vielleicht auch wegen der leichten Anfälligkeit in den Räumen neben Schwegler nach langen und zweiten Bällen (die es auf der anderen Seite auch neben Geiger gab) stellte Breitenreiter Mitte der ersten Halbzeit auf ein 4-2-3-1 mit Bakalorz neben Schwegler um, und 96 presste im 4-4-1-1 meistens tiefer. Hoffenheim wurde so das Durchspielen des Achter- und Zehnerraums erschwert. Stattdessen spielten die Gäste daher einige Chip-Pässe in den Raum hinter Benschop, um von dort mit Amiri, Gnabry und Kramaric hinter die Abwehr durchzubrechen. Außer in zwei oder drei Ansätzen gelang es allerdings nicht, genügend Tempo zu entwickeln, sodass Hoffenheim auch bis zur Pause nur vor, aber kaum in den Strafraum kam. Das änderte sich erst in der zweiten Halbzeit, als die TSG von ihrem Wechselsystem abwich und mit Akpoguma für Geiger auf ein klares 5-2-3/3-4-3 umstellte. Hannover ließ sich von den jetzt konventioneller und weiter vorne besetzten Hoffenheim-Flügeln nach hinten drängen und kam zum Beispiel über im Gegenpressing eroberte Bälle der Sechser Rupp und Amiri zu mehr Dominanz. Jetzt erzeugte Hoffenheim auch Torgefahr, vergab aber drei recht große Chancen, darunter zwei Querpässe im Strafraum. Der letzte der drei Abschlüsse hätte allerdings nur den Ausgleichstreffer bedeutet, weil Hannover in der Zwischenzeit nach einem abgewehrten Freistoß in Führung gegangen war.

Da Nagelsmann mit Szalai für Rupp einen zusätzlichen Stürmer brachte und jetzt auf ein 4-2-4 mit Vogt als Sechser umstellte, sah sich Breitenreiter ebenfalls zur Reaktion gezwungen und setzte mit Sorg für den eigentlich blass gebliebenen Bebou den Impuls zur Umstellung auf ein 5-2-3. Hannover versuchte anfangs noch, die Flügelstürmer Klaus und Benschop auch tatsächlich höher zu positionieren und bei Kontern in Szene zu setzen. Da Hoffenheim aber weiterhin die Präsenz in der letzten Reihe aufstockte und teilweise auch einen Innenverteidiger mit in den Sturm schickte, wurde Hannovers Formation immer mehr zum defensiven 5-4-1. Die langen Pässe von Hoffenheim auf die Flügel und Verlagerungen auf die andere Seite brachten der Nagelsmann-Elf viele Ballkontakte in der gegnerischen Hälfte und gegen den sehr tiefstehenden Gegner natürlich auch viele zweite Bälle, mit denen sie Hannover am eigenen Strafraum einschnürte. Ein Tor gelang aber erneut dem Heimteam, und natürlich erneut nach einem Freistoß (der zudem nach einem relativ ungefährlichen Unterzahlkonter entstand).

Fazit

Zwei Standardtore bringen 96 den Sieg, vermutlich fällt der Anteil an Abschlüssen nach ruhenden Bällen an allen Schüssen sogar höher aus als bei den bisherigen Auftritten (und da war die Quote nicht gerade niedrig). Dass die schwierigen Platzbedingungen nur bedingt als Erklärung dafür herhalten können, zeigte die Hoffenheimer Leistung, die trotz kleinerer Probleme im letzten Drittel Anlass zur Hoffnung für die nächsten Spiele nach zuletzt sehr schwankenden Leistungen bietet. Der TSG fehlten zwar vor allem in der ersten Halbzeit ebenfalls Abschlüsse, insbesondere von innerhalb des Strafraums, doch das Passspiel an sich gelang der Nagelsmann-Elf erstaunlich gut. Die unterschiedlichen Formationen im Pressing und Ballbesitz halfen beim Abrufen einer durchaus stabilen Leistung, während der Mangel an guten Chancen auch wegen der Umstellung in der Halbzeitpause behoben werden konnte. Dass 96 mit einer konsequenten Defensivleistung und einem phasenweise sehr griffigen Mittelfeldpressing mehr als nur einen Punkt holen konnte, lag aber eben auch daran, in die jeweiligen Drangphasen des Gegners hinein mit Toren die Spielgeschichte entscheidend beeinflusst zu haben. Mit mehr Präzision bei Flanken und vor allem einer besseren Verbindung von Schwegler aus dem linken Rückraum-Halbfeld nach Rückpässen vom Flügel hätte zwar auch Hannover in der ersten Halbzeit eventuell mehr Akzente setzen können, als wirklich taugliche Gefahrenquelle dienten so aber „nur“ die schwierig zu verteidigenden Sprints in die Tiefe von Bakalorz, Klaus oder Bebou nach unkontrollierten Zweikampfszenen im verschneiten Mittelfeld. Und Standards.

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